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Erinnerungen eines Fans

von

Werner Pieper

 

Text des aufwendig gestalteten Begleitbandes zur Petards-6-CD-Box von Bear Family. In jenem Band finden sich viele, auch farbige Abbildungen, zusätzliche Faksimile-Texte, eine komplette Discographie u.a.m.

 

Inhaltsverzeichnis

1.  The Petards

2.  Der Anfang

3.  Die Musiker

4.  Die Band

5.  Die Fans

6.  Im Studio

7.  Live

8.  Burg HerzBerg

9.  In den Medien

10.  Im Theater

11.  Vater Ebert resümiert

12.  Zeittafel

13.  Where are they now?

14. Autoren-Bio

 

Christa Hoch gewidmet

 

 

 

The Petards im Schnellkurs

 

Sie machten gerne Musik und teilten eine gemeinsame Vision und den Willen, diese umzusetzen. Dazu offenbarten sie überraschende Fähigkeiten und Talente, mit denen sie für sich und für die ganze oberhessische Region die Zeit ein paar Jahre lang fast  anhielten. 

 

Viele ihrer früh gesteckten Ziele erreichten sie: Weit über 1000 Auftritte, 100.000 verkaufte Exemplare der 1. LP, wiederholte Auslandstourneen, Nr 1 Hits, LP Release in Japan etc. Nur der größte Wunsch: Eine Nr 1 in den USA, blieb ihnen versagt. Die Geschichte der Petards ist eine ganz ungewöhnliche Erfolgsstory, auch wenn aus den Schrecksbächer Knallfröschen nie interkontinentale Raketen wurden..

 

Sie hatten nicht nur mehr Ideen, als die meisten anderen RockKollegen, sie setzten sie auch permanent selber um:

- Sie boten eine souveräne Bühnen Choreografie.

- Sie entwarfen ihre eigene Bühnenkleidung und ließen sich diese nähen.

- Sie waren die erste Band im Land mit einer ausgefuchsten Lightshow (inkl. Strobe-Lights). Die Einzelteile dafür hatten sie sich im Kasselaner Elektrohandel erworben.

- Sie waren die erste Band, die massenhaft Sticker mit ihrem eigenen Logo verteilten (und anderes Werbematerial allemal).

- Sie bauten ein Netzwerk von 380, größtenteils wirklich aktiven Fanclubs auf, die in einem Maße für ihre Popularität sorgten, wie das heute nur via MTV/Viva möglich ist.

- Sie tauschten die Konzertbühne wiederholt mit einer Theaterbühne ein

- Sie veranstalteten die legendären Herzberg-Festivals, auf denen erstmals deutscher PopMainstream mit dem Underground zusammenkam.

- Und zur Krönung lieferte Arno allabendlich an seiner Schießbude mit zwei BassDrums (Neu!)sein unvergleichliches Schlagzeug-Solo ab.

 

Wurden sie schließlich auch von der Zeit, dem Zeitgeist, der wachsenden Konkurrenz (mit Haaren, Musikern & Managern & Connections) eingeholt, manchmal auch überholt: Für einige Jahre legten sie die Maßlatte für andere Bands sehr hoch vor. Sie verwirklichten konsequent ihre Ansprüche, an denen so manche alternative KrautRock/Underground-Band scheiterte:

- Sie waren absolut independent.

- Sie schrieben ihre eigenen Stücke.

- Sie waren lange Zeit ihre eigenen Roadmanager.

- Der Mann an der Rhythmusgitarre war der Manager.

- Der Mann am Bass war der Fanbetreuer.

- Sie entwarfen ihr eigenes Logo, gestalteten ihre Plakate und Plattenhüllen eigenhändig.

- Sie waren auch noch als Profis ihre eigenen Promoter, organisierten viele Auftritt von A - Z selber.

 

   Eigentlich, ja eigentlich hätte diese Band keinen Erfolg haben dürfen, denn sie schleppte doch einige Handicaps mit sich herum. Es spricht für sie, daß sie diese jahrelang mühelos wegsteckten:

- Die Petards hatten keinen Manager, keine Connections in Musikbusiness, kein Vorbild, das sie hätten kopieren können.

-  Sie waren, wenn auch ehrgeizige, so doch isolierte Bubis aus der tiefsten Provinz.

- Zwei Bandmitglieder waren objektiv gesehen sehr mäßige Musiker.

- Zwei Bandmitglieder trugen von Anfang an wg. ihres schütteren Haarwuchses Toupés. ( Ein bis heute in der Rockgeschichte eher seltenes Phänomen.)

 

Sie machten gerne Musik und teilten eine gemeinsame Vision und den Willen, diese umzusetzen. Und überraschende Fähigkeiten und Talente, mit denen sie für sich und für die ganze Region die Zeit ein paar Jahre lang fast  anhielten.

 

Mit dieser CD-Edition ihres Gesamtoutputs wird, 25 Jahre nach dem Ende der Band, ein verspätetes Happy End nachgeliefert.

 

Laß uns zurück zum Anfang gehen ....

 

 

 

 

  2. In The Beginning ....

 

PETARD (Fr. pétard, péter, to make a slight explosion)

 

Die Brüder Klaus und Horst Ebert spielten schon zu frühen Schulzeiten (1961) in einer Schul-Skiffle & Dixie Band, den Magic Stompers. Diese wandelten sich Ende 1962 im Zuge der Weiterentwicklung der allgemeinen Musikentwicklung zu einer Twist und Beat Band, die sich mal als Lemmon Drops oder Blizzards ausgaben. Vater Ebert war ein angesehener Arzt in Schrecksbach, Oberhessen. Sicherlich profitierten die beiden Brüder, und folglich die ganze Gruppe, von diesem guten Image.

Rüdiger Waldmann, der nur 'Roger' genannt wurde, stieß 1962 als Bassist zur Band. Es wurden ausnahmslos englische und amerikanische Hits nachgespielt, die Klaus für die Gruppe um arrangierte und spielbar machte.

1964 stieß Horst dann in einem Lexikon auf den Namen Petards: Knallfrosch.

Ursprünglich französisch: Pitàrd, wurde das Wort auf dem Umweg über New Orleans zu einem englischen Begriff. Die Betonung liegt auf der 2. Silbe, aber der hessische Volksmund machte da Piitarts drauß. Oder in Koseform ob'rrhessisch Peddarts. Als die Gruppe sich später in Pet Arts umbenennen wollte, um dem Zeitgeist etwas entgegen zu kommen, war es leider schon zu spät. Man kann ausschließen, daß die Band damals wußte, welche Bedeutung pétard heute im Französischen hat: es ist eine zeitgenössische Umschreibung für einen Joint. Dann hätten sie wahrscheinlich andere zündende Einfälle gehabt. So gaben alle vier in einem offiziellen Presseinfo an, daß ihr Lieblingsgetränk Milch sei. In der Tat war ihr Bühnenimage immer viel psychedelischer als ihre Alltagsrealität.

1965 machten die Jungs ihr Abitur und begannen, in Gießen und Marburg zu studieren. Eigentlich bedeutete dies das frühe Ende der Band, doch dann bekam Klaus in den Sommer-Semesterferien ein lukratives Angebot für die Band: Pro Abend & Nase 50 DM (zum Vergleich: der Chronist bekam damals als Lehrling 30 DM im Monat). Anstatt wie die Studienkollegen in den Semesterferien zu jobben, kamen die Musiker auf 27 Gigs.

In den folgenden Wintersemester-Ferien spielte die Band wieder zusammen und stellte erste Eigenkompositionen vor. Allein im März 1966 kam man in dem winzigen Schwälmer Ort Niedergrenzebach auf 11 Auftritte.

Das ihre Beatmusik noch nicht zum allgemeinen Kulturgut gezählt wurde, davon berichtete die örtliche Zeitung. Das  Amtsgericht Schwalmstadt (damals noch: Treysa) verdonnerte sie zu je 50 DM Strafe, da es bei einem ihrer Konzerte 'geräuschvoll' zuging. "Auf Anweisung des Gerichts haben die Betroffenen im mittelgroßen Gerichtssaal eine Probe ihres Könnens und auch des weit reichenden Radius ihrer Darbietung abgelegt. Es war ein unerträgliches Gedröhne, so daß die Schilderung eines Zeugen, man habe auf der Straße sein eigenes Wort nicht verstehen können, durchaus nicht übertrieben erscheint.... Es gibt Mittel und Wege, diese lautstarke Musik zu dämpfen. ... Die Betroffenen wußten, welch schrecklichen Lärm sie erzeugen." Die örtliche Zeitung, Der Schwalm-Bote berichtete unter der Überschrift 'Aus dem Gerichtssaal tönte heiße Beat-Musik'. Der Zeitung war auch der sachdienliche Hinweis zu verdanken, da bei Petards Veranstaltungen 'übrigens auch heftig getanzt werden darf'. Außerdem mußten Jugendliche anfangs häufig nur den halben Preis bezahlen.

   Obwohl sie ja alle vier keine musikalische Ausbildung besaßen, träumten die Jungs bald von einer professionellen Musikkarriere samt eigenen Schallplatten. In der Zeitschrift 'Musikparade' fand Horst eine Kleinanzeige, durch die die Band Kontakt mit Hans Werner Kuntze aus Osnabrück bekam. Mit dessen Hilfe nahm man in den nächsten Semesterferien, am 4. August 1966, an einem Tag die Single Baby run, run, run & Pretty Miss auf. Beides Eigenkompositionen. Kuntze übernahm alle Unkosten, verkaufte der Band 500 Platten für 1.500,00 DM und ließ die restlichen 1312 Stück durch die 'metronome' vertreiben. Außertdem sorgte er dafür, daß die Platte auch in der Musikpresse Erwähnung fand.

   Aus heutiger Sicht jedoch, war die folgenreichste Tat von Kuntze, den Jungs einen 'Plan für Werbung bei Neuerscheinungen' mit 27 'Hausaufgaben' mitzugeben.  Außerdem überließ er der Band die Anschriften von 17 Agenturen, 15 wichtigen Radiosendern und Programmgestaltern, sowie von 23 Zeitschriftenredaktionen. Damit begann bei der Band die 'systematische Phase'. Man erledigte die meisten der Aufgaben aus Kuntzes Aufgabenheft erfolgreich. 

- Fanclub Arbeit (siehe dazu das Kapitel über 'Fan Clubs').

- Besuche bei Radio Luxemburg und anderen Sendern (es gab noch nicht so viel ewie heute) vorher anmelden, möglichst alle Sprecher aufsuchen und ihnen Platten und massenweise Fotos da lassen.

- Alle Redaktionen wichtiger Musik-, Automaten- und illustrierte Zeitungen aufsuchen und sie mit Material und kleinen Geschichten versorgen.

- Möglichst viele Großhändler persönlich aussuchen.

- Die Platte selber bei Musikbox-Aufstellern verkaufen.

- Möglichst viele Einzelhändler aufsuchen, der Verkäuferin ein Exemplar mit der Bitte schenken, doch dafür zu sorgen, daß die Platten im Schaufenster und Laden gut plaziert werden.

- Anzeigen aufgeben. Viele kleine, möglichst mit Foto, haben mehr Wirkung als eine große.

- Am Tag vor Konzerten in der entsprechenden Stadt schon eine Runde durch Redaktionen und Geschäfte unternehmen.

- Permanent alle aus dem Geschäft mit Neuigkeiten (wahr oder unwahr), Fotos und natürlich den jeweils neuesten Platten eindecken.

- Platten bei eigenen Konzerten verkaufen, eventuell welche während des Konzertes verlosen....

   Die ersten Fanclubs wurden eröffnet. Als Autogrammkarten dienten anfangs echte Fotoabzüge von Horst. Im September wurde man zu Radio Luxemburg eingeladen, doch dann stand nochmal ein Semester Studium an. Im der Winterpause kam es zu einer 2. Single Aufnahme bei Kuntze: Right Time & She didn't. Und dann kam das Jahr 1967 & es ging richtig los. Überall sprießte die Rock-, Protest- und Hippiekultur, erklangen Rockhymnen und wehten Haschischschwaden durchs Land. Nur die Petards blieben weitgehend drogenfrei.

   In dem 1997 erschienenen Buch 'A Crack In The Cosmic Egg', einer kommentierten, englischsprachigen Compilation von weit über 2000 deutschen progressiven Rockgruppen der späten '60er und frühen 70'er, sind die Petards im Kapitel 'Rejects and Misfits' zu finden. Einziger Kurzkommentar: 'Early German Pop Band'.

   Dabei gehörten sie zweifelsohne zu den Pionieren deutscher Rockmusik. Ihr Vorteil, der sich später allerdings als ein Handicap herausstellte, war ihre Provinzialität. Im oberhessischen, später auch ganzhessischem Raum und darüber hinaus, waren sie durch ihre vielen Auftritte in ländlichen Beatschuppen und Kneipen bald unzweifelhaft die Nummer 1. Schon mangels Konkurrenz. Die Jugend auf dem Lande konnte BeatMusik ja nur im Radio hören. So trafen die Petards dort auf ein ausgehungertes und begeisterungsfähiges Publikum, das sie immer wieder motivierte und antrieb.

   Im März 1967 katapultierte sie ein Auftritt in der 'Drehscheibe' des ZDF zu regionalen Helden, im April hatten sie schon 58 Fanclubs.

   Das nächste große Ereignis war die 'Wald-Beat-Show' in ihrem Heimatort Schrecksbach, ein Vorläufer der späteren Herzberg-Festivals. Die 'Wald-Beat-Show' am 'alten Tanzplatz Unter den drei Buchen' war ein wahres regionales Volksfest, mit Rummelplatz und anderen Gruppen. Fan-Club-Mitglieder hatten freien Eintritt, und sie kamen aus Freiburg, Heidelberg, Hamburg und anderswo. Für wenige Wochen ersetzte ein Franzl den Hans Jürgen am Schlagzeug, der mit seinem Studium schon so weit fortgeschritten war, daß er es nicht wg. der Musik abbrechen wollte.

   In der breiten Öffentlichkeit war es mit der Akzeptanz der Beat-Musik noch nicht weit her. Eine Allensbach-Umfrage im Jahr 1967 ergab, daß sich 71% strikt gegen Beatmusik in Deutschland aussprachen, nur 16% mögen ihn. In der Presse wurde dies freudig, aber zu frühzeitig, als Indiz für das 'Ende der Beatmusik' hochgejubelt. Aber unter den 14 - 20 Jährigen bevorzugten immerhin 65% die neuen Klänge. Im Schwälmer Land wird die Akzeptanz der Petards bei der Gesamtbevölkerung dank der regionalen Variante bei 92% gelegen haben.

   In der FAZ sinnierte der kluge Kopf Karl Korn derweil über die Einsicht nach: "daß man als älterer Mensch bereits jeden Kontakt zu dem, was junge Menschen bewegt, verloren hat." Das Gefühl hatten die jüngeren Leute auch. Dieses Gefühl haben junge Leute wohl immer, aber damals war das Tausendjährige Reich erst zwanzig Jahre vorbei und der Generationen-Clash entsprechend radikal. Wenn für uns die Petards-Zeit nach über 25 Jahre noch so frisch im Gedächtnis ist, wie muß daß damals für unsere Eltern gewesen sein? Karmisch gerecht, aber im täglichen Leben schwer zu ertragen.

   Als die Petards 1967 Arno als Schlagzeuger fanden, war dieser schon seit 1961 Profimusiker. Das erleichterte ihnen den Entschluß, auch das eigene Studium zu beenden und hauptberuflich ins Popgeschäft einzusteigen. Oder, in den Worten ihrer Plattenfirma Liberty: "Damit stand eines fest: Studium an den Nagel, Musiker werden, Popmensch, Beatwesen, hippiehaft frei sein, das tun, was sie längst immer allein tun wollten: Musikmachen".

 

   Legendär ist die Geschichte, wie sie zu ihrer ersten LP kamen. Produzent Bert Varell erlebte sie im Talentschuppen des SWF: "Es war ein heißer Donnerstag im Juni. Beim Sudwestfunk schwitzte eine Jury aus Presse, Platte und Prominenz Urteile über Nachwuchstalente aus, die abwechselnd wie Tom Jones, Roy Black, Manuela und Sandie Shaw sangen. Oder sich wenigstens bemühten. Die Hoffnung der Kenner auf Könner schmolz in der Hitze dahin. An ich-weiß-nicht-mehr-wievielter Stelle wurde eine Gruppe aufgerufen, über deren Name erst einmal debattiert wurde. Sie nannten sich 'The Petards'. Knallfrösche. Und ihr Auftritt wurde ein Knaller ... Nicht nur wir Juroren, auch die konkurrierenden Künstler waren hingerissen von der Vitalität, dem Tempo, dem knallharten Sound dieser vier Burschen. Sechs Wochen nach dem TV-Wettbewerb trafen wir uns im Studio in Hamburg wieder. Um diese Platte zu produzieren. ‚A Deeper Blue'.“

 

Zeitgeistige Zugaben

 

"In den früher 60ern, als Mode & Popmusik gemeinsam am Himmel über Großbritannien und den USA tanzten, sah der Rest Europas nur zu. Die Franzosen befleißigten sich einer betonten Arschleckhaltung. Sie hatten sich "Le 50's Rock'n'Roll Style" zu eigen gemacht, der ihrem schicken Wesen entgegen kam, während die Skandinavier auf ihre eigene stille, aber psychotische Weise ausrasteten, und eine Liebe zu amerikanischen Autos, Streetgangs und der primitivsten Musik am Markt entwickelten. Aber in Westdeutschland gab es britische und amerikanische Militärstützpunkte. Als Schauplatz des Sieges der Allierten beheimatete Westdeutschland Tausende von britischen und amerikanischen Truppen mit eigenen Radiosendern (BFN & AFN). Die Kinder im Nachkriegsdeutschland lernten ihr Englisch aus dem Radio. Sie sahen auch die riesigen Ami-Schlitten, die von Soldaten auf Ausgang gefahren wurden und sie lernten deren Stil lieben. Sie lernten Kaugummi, Coca Cola, Jeans und all das andere lieben, was sie an den USA gut fanden...."

Julian Cope, KrautRockSampler

 

Ist Beat Musik?

Die Regierung Oberbayerns befand angesichts der Frage, ob eine Beatveranstaltung kulturwürdig sei: "Die Anziehungskraft eines Konzertes beruht im wesentlichen auf musikalischen Darbietungen von gewisser gehobener Qualität. Durch zahlreiche elektrische Tongeräte wird die Musik bei einer Beatdarbietung in einem Maße verstärkt, daß sie des Charakters der Musik im üblichen Sinne weitgehend entkleidet und schier als Lärm erscheint."

 

Affengeil!

"Die Beatbegeisterung ist eine schon von den Menschenaffen her bekannte, auch auf einigen Reichsparteitagen und heutigen Demonstrationen geläufige 'soziale Hordenraktion', eine Massenpsychose aus Hysterie."

Sonntagsblatt, 3. Juli 1966

 

Einer lustfröhlichen Gesellschaft entgegen

"Die Jugend hat es aufgegeben, sich mit der bestehenden Gesellschaft herumzuschlagen. Sie hat sich im Vorhandenen eingerichtet und versucht, das beste daraus zu machen, nämlich einen Lebensstil zu pflegen, der eine private Glücksverwirklichung auch in einer so glücks- und lustfeindlichen Gesellschaft wie der der westeuropäischen Industrieländer verspricht."

Uwe Nettelbeck, Die Zeit, 24.12.1965

 

 

 

 

  3. Die Musiker:

 

   Hans Jürgen Schreiber

1963 Trompete, ab 1964 Schlagzeug bis zu seinem Ausscheiden 1967

 

   Klaus Ebert

Geb. am 7.3. 48; 1961 Klarinette & Tenorsaxophon, ab 1962 Gitarre, aber auch Flöte, Orgel & Geige. Klaus komponierte fast alle Petards Eigentitel und war unbestritten der musikalische Kopf der Band, spielte auch die meisten Instrumente. Er kümmerte sich um die Kompositionen, Arrangements und das Repertoire. Bei Proben und Auftritten war er auf mehreren Ebenen tonangebend. Musikalischer Imageträger der Band. Musikalische Vorbilder damals: Gerry Mulligan, Jimi Hendrix. Lieblingssänger: Gene Pitney; Lieblingsgruppe: Traffic.

Wunsch von einer Fee: Hits.

 

   Horst Ebert

Geb. am 10.10.45; 1961 Schlagzeug, ab 1964 Rhythmusgitarre & Tamburin. Horst war nicht der Supermusiker, aber er hatte die Vision und den Willen. Roger: "Horst sah (ca. '65) einen Ford Transit und sagte spontan: "Der ist unserer." Absurder Gedanke: Wir hatten kein Geld. Aber nach ein paar Monnaten war das unser Bus". Horst prophezeite auch früh: "Wiir werden die Nummer 1 in Deutschland". So geschah es. Schrieb die meisten Texte der Band. Auf der Bühne trieb er es obszön mit dem Mikroständer.

Horst managte die Band, war der Organisator und Pressesprecher. Er verhandelte mit Veranstaltern und Plattenfirmen & prozessierte, wenn es sein mußte. Er schrieb Pressetexte und setzte so manche erfolgreiche Presseente in Bewegung.

Für ihn war Bob Dylan ein besonderes Vorbild. Es geht das Gerücht, daß er sämtliche Dylan Texte kannte. Lieblingsgruppe: Four Tops.

Sein LieblingsGig: In Kulmbach. Im Fränkischen waren die Mädels am bemerkenswertesten. Haßt: 'Wackelkontakt in der Gitarre; Krieg, jede Form von Gewalt; Fragen, Fragen, Fragen.'

Wunsch von der Fee: Zaubern können, glücklich und verliebt sein.

 

  Rüdiger 'Roger' Waldmann

Geb. am 23.9.45; 1962 Bass. Lange unentschlossen, das Studium aufzugeben. Hielt Beat-Musik im Vergleich zur Klassik als billig und schlecht & war (wohl berechtigterweise) von seinen musikalischen Fähigkeiten nicht so überzeugt. Beugte sich aber dem Gruppendruck, als Arno 1967 hinzukam, und wurde auch Profi. Sein LieblingsGig der Petards: Sportpalast, Berlin.

Wurde am meisten von den Mädels angehimmelt und war folglich für das Fan-Wesen zuständig. Hat heute noch den umfangreichsten Petards-Memorablia Fundus. Lieblingssängerin: Dionne Warwick, Lieblingsgruppe: Die Beatles. Haßt: 'Unsere Anlage selbst auf- oder abbauen zu müssen'.

Wunsch von der Fee: Auftritt im 7. Himmel.

 

  Arno 'Jesus' Dittrich

Geb. am 12.2.46. Ab 1967 an der Petards-Trommelbude. Der Mann mit den zwei BassDrums und dem 20 min. Solo, unheard of in unseren Breitenkreisen. Ein Höhepunkt eines jeden Petards-Konzertes.

Ein Maniac. 1960 spielte er schon als Schüler in einer Skiffleband.  Als 1965 eine Original-englische-Beat-Band in Hannover spielte, faszinierte ihn dasSchlagzeug dermaßen, daß er es ihnen spontan abkaufte. Der Schlagzeuger nahm das Geld & verdünnisierte sich über Nacht mitsamt dem Schlagzeug zurück nach England. Arno brachte die Heimatadresse in Erfahrung und trampte nach Liverpool, traf dort jedoch nur die Mutter, da die Band samt Schlagzeug iauf Tour war. Er wartete eine Woche, bis sein 'Vertragspartner' kam. Arno schnappte sich das Schlagzeug und brachte es per Bahn & Boot zurück nach Hause. Dort war ihm zwischenzeitlich die Lehrstelle verlustig gegangen, also wurde er 1965 Vollprofi.

Bei den Petards anfangs für Autogrammorganisation zuständig. Später dann mehr für die Groupies, denen er soviel Gutes tat, sodaß er den Namen 'Jesus' erhielt.

Lieblingsgruppe: The Petards; Lieblingssänger: Jackie Wilson.

Wunsch von der Fee: Zwei zusätzliche Arme und Beine.

 

  Bernd Wippich

Bernd war schon seit seinem 16. Lebensjahr als Profimusiker, meist in Ami-Clubs unterwegs. Als Multi-Instrumentalist spielte er in erster Linie Gitarre und sang. Er wurde unter zweihundert Bewerbern ausgesucht, doch nach einigen Monaten war klar, daß er kein Ersatz für Klaus war. Er, und vor allem seine Freundin, paßten nicht in die Gruppenstruktur. War außer Arno der einzige, der auch in einer anderen Band spielen konnte. Nach dem Ausscheiden seines Nachfolgers hatte sich die Gruppe verändert und er  (minus Freundin) bekam eine erneute Chance. Bis zum Ende der Band.

 

  Ray King

Ray war ein Engländer, der vor den Petards in seiner Heimat schon mit Dusty Springfield, Sreaming Lord Sutch und Chris Farlowe gespielt hatte. Sein PopStar-Gehabe paßte allerdings nicht zur Band und so währte sein Einsatz nur kurze Zeit.

 

 

Die Roadies

Die ersten Roadies waren wahre Pioniere. Sie mußten einen undankbaren Job tun, den man nirgendwo erlernen konnte, außer durch direktes Anpacken. In den '60ern wurde man meist Roadie, weil man einen VW Bus besaß, wie z.B. der legendäre Hans Riebe für die Rattles.

In den ersten Jahren bauten die Petards ihre Anlage eigenhändig auf und ab, wobei ihnen manche Fans zumindest beim Schleppen unter die Arme griffen. Mit der Zeit wuchs die Anlage und die Gesamtanforderungen an die fantastischen Vier. So machten sie im April 1968 einen ihrer HardCoreFans, den Dieter Weißbeck, zu ihrem Roadie. Dieter war ein ProblemJugendlicher, dem die Faust leicht ausrutschte. Als die Petards ihm den Führerschein bezahlten und zu ihrem Road Manager beförderten, klickte in ihm etwas. Er überschlug sich für die Gruppe vor Eifer. Er war der erste fest Angestellte Mitarbeiter der Petards. Leider hielt sein guter Lauf nur bis zum September 1969, als ihm die Hand intern ausrastete. Am 30.9. 69 bekam er sein Arbeitszeugnis: "D.W. war bei uns vom 1.4.68 - 30.9.69 als Fahrer und technischer Angestellter beschäftigt. Ihm oblag es, unseren Ford Transit zu fahren und unsere umfangreiche elektronische Verstärker- und Lichtanlage auf- und abzubauen und instandzuhalten. (Monatliche Kilometerleistung mindestens 10.000 km). D.W. hat alle ihm übertragenen Arbeiten zu unserer vollsten Zufriedenheit und in ungewöhnlicher Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit ausgeführt.  ... gez. Horst Ebert'. 

Er wurde umgehend von Hansi, einem Ex-Koch, der sich schon seit geraumer Zeit als Arnos PrivatRoadie hervorgetan hatte, ersetzt. Er war auch für die LightShow zuständig. Ihm wurde MItte 1972 aus Geldmangel gekündigt. Vier Jahre lang hatten die Roadies als Festangestellte regelmäßig ihren korrekten Lohn erhalten - was man von den Musikern selbst nicht immer behaupten konnte. Es gab Zeiten, in denen die Roadies mehr verdienten als die Stars. Hansi kehrte in die Gastronomie zurück und leitet heute wohl ein größeres Catering Service.

 

 

 

 

4. Die Band  

   Die Petards traten in klassischer Beat-Formation auf: LeadGitarre, RhythmusGitarre, Bass, Schlagzeug. Später spielte Klaus Ebert bei einigen Stücken auch Keyboards. Der Anteil an Coverversionen bei Live-Auftritten schwand im Laufe der Jahre, bis sie schließlich fast nur noch Eigentitel spielten; auf den LPs allemal.

   Die vier Oberhessen bildeten auf der Bühne eine kompakte Einheit mit vielen Gemeinsamkeiten: Ex-Studenten aus einer gemeinsamen Szene, blaue Augen, blonde Haare, BMW Fahrer. Sie waren stolz und erfreut ob der Begeisterungsfähigkeit der Mädels überall wo sie auftraten. Geile Sache, das.

   Sie mutierten zu regionalen Helden. Immer wieder wurde ihr Popsiegeszug im heimischen 'Schwalm-Boten' dokumentiert. Sie gaben dem Schwalm-Mythos, bislang nur durch eigenartige Trachten (die auch 1997 von den Schwälmerinnen noch getragen werden) und besonderes Brauchtum präsent, eine neue, moderne Faszette. Selbst die langen Haare wurden im Dorf respektiert: "Wie bei den alten Dichtern und Malern", hieß es. Ich habe jedoch keine Ahnung, ob sich die Mitbürger bewußt waren, daß die beiden ebert'schen Arztsöhne sich schon früh mit Toupés zierten, da das eigene Haar unbeatmäßig schütter war. Gern nahm man in Schrecksbach zur Kenntnis, daß die Jungs mehr Milch als Bier tranken. Sie sahen zwar aus wie Edelhippies, doch drogenmäßig waren sie absolut clean, bis auf die paar Captagon Arnos auf langen Nachtfahrten oder bei seinen legendären Schlagzeugsoli. Ihr frühes Einzugsgebiet lag, nicht nur kulturpolitisch, irgendwo im Nirgendwo.

   Das schreckte sie jedoch nicht ab. Selbst in den Metropolen Hamburg (Rattles) oder Berlin (Lords) gab es keine vergleichbare Profi-Band, die alles selbermachte: eigene Lieder schrieb, ihre eigene Bühnentechnik aufbaute und beherrschte, ihre Platten produzierte, sich selber managte, ihre eigene Bühnengarderobe entwarf, alle Plakate, Plattenhüllen & Promotion selber entwarf, etc. p. p. ? Amateurbands versuchten schon immer wieder, alles allein in den Griff zu bekommen, aber kaum eine wird so effektiv gewesen sein wie die Jungs aus Oberhessen. Andere Bands mögen musikalisch einfaltsreicher oder kommerzieller oder schlicht besser gewesen sein, aber nur den Petards gelang es, die eigene Selbstständigkeit zu erhalten. Was heute so heroisch klingt: 'Being independent', war aber auch ihr Schwachpunkt. Sicherlich hätten sie gerne im Laufe der Zeit einige der nebenmusikalischen Tätigkeiten anderen übertragen: Sie kannten jedoch niemanden im Popbusiness, einem Geschäft, das eigentlich Großstädtern vorbehalten war. 

   Sie lebten zu viert in einem hübschen Einfamilienhaus mit Garten, gut bürgerlich betreut von Frau Ebert, der Mutter von Horst und Klaus. "Wir sind keine Kommune", bemerkte Roger und Arno ergänzte: "Wir leben hier wie Mönche." Dabei spielte er wohl auf jene Mönchzeiten des Mittelalters an, in denen es in den Klöstern hoch erging. Erst als Klaus ausstieg, bezog man ein eigenes Haus.

   Sehr früh sorgten sie für ein reges Merchandising mit dem Gruppennamen. Auch das hatten sie anderen Bands vorraus. Ihre Aufkleber waren in den ersten Jahren konkurrenzlos. Was heute die Promotionabteilungen der Plattenfirmen routiniert mit Hilfe teurer Werbeagenturen unter die Leute bringen, damals machten das die Musiker selber. Allein von ihrer ersten Autogrammkarte verteilten sie rund 100.000 Stück.

   Obschon neue Eigentitel meist zusammen erarbeitet wurden, waren die Songwriter Credits immer den Ebert Brüdern zugeordnet. Klaus hatte ganz klar die musikalische Federführung, doch viele der Stücke entstanden durch Gruppenimprovisationen. Da aber nur Klaus und Horst in der GEMA waren, erhielten Roger und Arno nie eine finanzielle Anerkennung für ihre kreativen Einfälle und Beiträge. Das war ja auch bei den Beatles sehr ähnlich.

   Im Nachhinein distanziert sich Horst von einigen der Texte, die aus seiner Feder flossen. "Der Text ist völliger Blödsinn: Hauptsache, es reimt sich." Sein Englisch verbesserte Horst beim Abschreiben von Hitparaden Titeln. Später nahm er auch ein Reim-Lexikon zur Hilfe. Das wichtige war, in jedem Text ein paar Schlüsselworte unterzubringen, die vom jugendlichen Fan auch ohne große Englischkenntnisse irgendwie verstanden wurden.

   Im Frühjahr 1967 hatten die Petards begonnen, auf der Bühne mehr Show zu bieten. Zum einen kam dies durch den verstärkten Einsatz von technischem Gerät (Lichtshow!) zur Geltung, zum andern aber auch durch die Kleidung der Band. Im TV Beat Club sah man ja britische Bands mit ihren Fantasiekostümen. In Deutschland gab es jedoch kein einziges Shop, in dem man Rüschenhemden oder hippieeske Klamotten hätte finden können. Also ließen sich die Petrads ihre Bühnenkleidung nach eigenen Entwürfen anfertigen. Absolute Flower Power Kopien, in Deutschland damals einmalig. Sie sahen wie echte Popmusiker aus dem Bilderbuch aus.

   Horst bot den Veranstaltern die Petards durch seine ureigene 'H.I.T. Agency' an. Für einen Auftritt von 2 x 45 min verlangte man 1968 an Wochenden um die 800 DM, unter der Woche die Hälfte. Während für die meisten Rockkollegen der Begriff 'Finanzamt' bis in die 70er Jahre ein Fremdwort blieb, waren die Petards auch auf dieser Ebene korrekt: 'Fahrtkosten und Lohnsteuer sind in der Gage enthalten," hieß es schon damals in den Standartverträgen.

   Für die musikalientechnisch Interessierten hier das Instrumentarium der Band in der 2. Hälfte der späten Sechziger: Marshall Verstärkeranlage 500 Watt, Ludwig Schlagzeug, Fender Gitarren, Rickenbacker Baß, Hohner Mundharmonika und Pianett, Vox Orgel, Mollenhauer Flöte und Zildjian Becken. Eine solide Ausrüstung. Die Petards hatten sich schon relativ früh eine gute Anlage angeschafft, da sie es früh leid waren, auf obskuren geliehenen oder Saal-Anlagen spielen zu müssen. So gehörten sie zu den ersten Bands im Lande, die mit den wundervoll aussehenden Marshall Boxen im Rücken auftraten. Das machte Eindruck.

   Im Studio wurde die ganze Bandbreite technischer Effekte wie Hallgeräte etc ausgenutzt. Aber auf der Bühne spielte man ohne technischen Schnickschnack, ganz trocken. "Auf der Bühne waren wir im Gegensatz zu unseren Schallplattenaufnahmen viel härter, wesentlich härter, auch rhythmischer. Wir haben zum Teil ganz anders gespielt.", so Klaus. Im Studio konnte er auch so manche Parts der anderen Musiker übernehmen, da er oft mit diesen nicht zufrieden war. Live hingegen gab es für ihn keine Möglichkeiten, korrigierend einzugreifen. "Auf der Bühne haben wir durch Lautheit überzeugt."

   Der regionale Erfolg der Petards erbrachte jedoch nicht den erhofften Erfolg als Sprungbrett zum nationalen oder gar internationalen Durchbruch. Im Laufe der Jahre erwies sich diese Provinzialität eher als Hemmschuh, ja, schlimmer: es brandmarkte die Gruppe zu einem gegebenen Zeitpunkt als Band aus der Provinz, der der Zugang zu den (Musik-) Metropolen verwehrt blieb.

   Das mitunter provokante Aussehen der Musiker hatte nichts mit Rebellion, sondern vorrangig mit der Show zu tun. Sie waren keine aufmüpfigen Studenten der '68 Generation. Trotzdem kam es vor, daß sie aus einem Hotel gewiesen wurden, sich aber im selben Ort ins Goldene Buch der Stadt eintragen durften. Im Leben waren sie eher brave Bürgersöhne (naja, bis auf Arno), zumindest nach damaligen Verhältnissen.

Das 'Underground' Image war ein potentiell umsatzfördernder Kompromiß an den Zeitgeist, durch das man sich Erfolg im Overground erhoffte. Doch der Overground fiel nicht darauf hinein und dem lebendigem Underground waren sie zu verpopt. Ihnen fehlte das Quentchen irgendwas, um zu Auftritten im Beat Club, bei den Essener Songtagen '68 oder im Hamburger Starclub zu kommen oder gar als KrautRocker LPs auf den legendären Deutschrock-Labeln Ohr und Pilz herauszubringen. Das wärs gewesen. War aber nicht.

   Statt dessen lag die Latte kommerziell vergleichbarer Bands auf der Höhe der Rattles (die immerhin einmal in England eine Tournee als Vorgruppe der Beatles absolviert hatten) und der Lords (die sich im Oberhessischen nach einem tragischen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang für einen Fan in Lauterbach, bei dem Musiker der Bands involviert waren, nie mehr sehen lassen durften). Auf Radio Luxemburg hatte es früher diese 'Battles of the Bands' gegeben. Ähnlich liefen gemeinsame Gigs dieser Gruppen ab. Natürlich gingen die Petards vor heimischem Publikumt immer als Sieger hervor, wie folgende Zeitungszitate beweisen:

"Die Petards, diese junge Beat-Kapelle konnte dann am Abend den vollen Erfolg einheimsen, der eigentlich 'Deutschlands bester Beatband', 'Deutschlands Beat-Königen' zugedacht war. Was sie spielten und sangen hatte format... Die Leute klatschten. Die Rattles wünschten dieselbe Unterstützung: Man tat ihnen nicht den Gefallen. "Ihr seit lahm!" kam die verstärkte Stimme aus dem Mikrophon der Stadtsaalbühne. So konnten die Petards die Siegestrophäe an diesem musikalischen Schlachtfest mitnehmen."  Fuldaer Zeitung, 3.6.67

"Ausgepfiffen wurden die Lords. Die Band, die sich offenbar auf dem absteigenden Ast befindet, kam gegen den Kometen The Petards nicht an. Die Petards waren der Knüller der Veranstaltung. Mehr Beifall für eine Beatband hat es bei einem Live-Auftritt in Korbach wohl noch nie gegeben. Die größte Aufmerksamkeit galt den 'Knallfröschen' , deren Schau mit elektronischen Lichteffekten im Dunkel großen Eindruck machte."   Waldeckische Landeszeitung, 2.11.70

In einem Zeitungsinterview antworteten die Petards 1968 auf die Frage "Wie sähe denn die Rangliste der deutschen Spitzenbands aus eurer Sicht aus?": "Man sollte sich zwar nicht selbst loben, aber wir können uns ohne Übertreibung als die beste Band bezeichnen. Also:

1. Petards

2. Rivets

3. German Bonds

4. Rattles

Dann kommt lange nichts und danch erst die Lords."

 

 

I'm on the road, with my bag in my hand...

   Zur Unabhängigkeit eines Rockmusikers gehören lange Fahrten von Konzert zu Konzert. Wie ätzend das sein kann, beschreibt einer der Musiker: "Man schwitzt oder friert im Transit, eingepfercht zwischen den Instrumenten. Man schleppt die schwere Ausrüstung durch eine nach Hunderten zählenden Menge von Verehrern, jungen Mädchen, die die Gruppe mit Fragen bestürmen, ein Lächeln oder ein Autogramm oder eine flüchtige Zärtlichkeit ergattern wollen. Man spielt 60 oder 90 Minuten, kleidet sich um, gibt, schweißtriefend und völlig ausgepumpt, erneut Autogramme, beantwortet Fragen, lächelt, scherzt, schleppt und verstaut die Instrumente. Irgendwo ein heißes Würstchen, ein Sandwich oder ein Riegel Schokolade hinunter, versucht, meist vergebens, noch ein Bier oder eine Cola zu bekommen, klettert, mitunter zum vierten oder gar sechstenmal an diesem Tag, je nach Jahreszeit schwitzend oder frierend, in den zugigen, vollgepackten Transit. Zwei können ratzen, einer muß fahren und der vierte den Fahrer wachhalten. Oder den Roadie. Irgendwann spät in der Nacht oder sehr früh am Morgen kommt man dann völlig versifft, abgefuckt, hungrig und durstig nach Hause. Der Preis für die Unabhängigkeit und das Privileg, Beatmusiker zu sein."

   Die Petards hatten das Glück, weder im exremen Norden noch im extremen Südens des Landes populär zu sein. Als Nord/Süd-Mitteldeutsche fuhren sie meistens nach einem Auftritt wieder nach Hause.

   Die Jungs besaßen genügend Humor, den Streß der permanenten Auftritte und den damit verbundenen langen Autofahrten blödelnd zu transformieren. So hatten sie schon früh ihre eigene 'Hu-Vo-Sprache' (Hunde-Vogel-Sprache) gelernt. Hier wurden nur die ersten Buchstaben eines Wortes ausgesprochen. Der wichtigste Ausdruck in dieser neuen Kommunikationsform war 'a-ge-me'. Damit wurde ein Interesse an einem bestimmten Mädchen 'angemeldet' (got it?). Die Auswahl an willigen Groupies war immens. "Soooo viele Mädchen!" erzählt Roger noch heute mit strahlenden Augen.

   In einer Gegend, wo trotz sooo vielen Mädchen außer den Petards doch sooo wenig los war, lechzte man natürlich nach immer mehr, man fieberte ja kollektiv dem großen Durchbruch entgegen. Entsprechend heiß brodelte die Gerüchteküche, teilweise durch gefakete Meldungen der Musiker selber entfacht:

- Mit Jimi Hendrix auf Tour, wenn er seine eigene Band nicht mitbringt. Oder als Vorgruppe. Roger: "Wenn Jimi Hendrix, den ich sehr schätze, im Januar ('69) nach Deutschland kommt, werden wir wahrscheinlich seine Begleitband sein. Das hängt davon ab, ob er nicht eine eigene Band aus England mitbringt. Lippmann und Rau haben uns schon vorgemerkt. Dieser Traum '69 blieb unerfüllt.

- John Lennon wird ihre nächste Platte produzieren.

- Die Rumänien Tour (die Jungs bekamen allerdings sehr viel Fan-Post aus Rumänien, da der westliche Propaganda Sender Radio Liberty - The Voice of Free Europe über die Petards berichtete.

- Die Finnland-, Polen-, Spanien-Tour

 

Legende statt Durchbruch

Die immer wieder gestellte Große Frage an die Band und von der Band:

Ist das jetzt der verdiente Durchbruch?

  Der Anfang der 70er Jahre brachte für die Band, nicht zuletzt durch das Ausscheiden von Klaus Ebert, zunehmend Probleme. So analysierte Florian Tennstedt die Situation wie folgt: "Die allgemeine Situation war dem Fortkommen der Petards nicht günstig: die zahllos aufkommenden Diskotheken verringerten die Möglichkeiten ihres Auftretens und damit ihre materielle Basis entscheidend. Auf Grund des ausgebliebenen internationalen 'Durchbruchs' waren zudem ihren Gagenforderungen Grenzen gesetzt. Schließlich war eine Musik 'im Kommen', die dem Können und Wollen der Petards und dem, was ihre Stammfans von ihnen erwarteten, nahezu entgegengesetzt war und die sich bislang noch dem Zugriff der Kulturindustrie entzog, der die Petards verpflichtet waren. Die musikalischen Fährtigkeiten der Petards dürften, so damalige Kritiker, zu guter Untergroundmusik - freies Spielen ohne Figuren - nicht ausgereicht haben. Diese war letztlich schwieriger als die Petardsmusik, obwohl Roger meinte: "Das kann ich auch". Auch hinsichtlich ihrer berühmten Bühnenshow, wo sie in Kostümierung und Light-Show einst die ersten und einzigen in Deutschland waren, hatten andere sie nahezu oder ganz eingeholt. Steigerungen waren ihnen nicht mehr möglich.

   Unter dem Titel 'Pop aus dem Land des Sauerkrauts' resümierte der Popzyniker Reginals Rudorf: "Somit scheint das Fanvolk in Westdeutschland gespalten zu sein - in jene Schicht, die dem Haschisch-Lallen á la Düül frönt, und jene, die im Pop eine wie auch immer geartete musikalische Spannung und Artikulation erkennen will. In dem Spannungsfeld geschmacklicher Polarisierung geraten vor allem jene Bands der ersten Popgeneration in die Gefahr, zerrieben zu werden. Bands wie die 'Petards'. So wie die 'Rattles' und die 'Lords' gehörten die 'Petards' zu jenen Formationen, die durch das Aufkommen des Twists und später der Beatles gleichsam über Nacht von Dixieland auf Rock schalteten. Diese Bands haben mittlerweile gehörige Routine ins Geschäft gebracht."

   Den Petards fehlte von Anfang an Kontakt zu ebenbürtigen oder gar besseren Bands, mit denen sie Erfahrungen hätten austauschen können. Großstädtische Konkurrenz hätte sie stärker herausfordern und durch bessere Vergleichsmöglichkeiten fördern können. Ihnen fehlte eine Reflexion  der eigenen musikalischen Aktivitäten. In Norddeutschland fanden sie überhaupt nicht statt und die eigene Region hatte man irgendwann, auch mangels Konkurrenz, überspielt. Wo andere, aufstrebende Gruppen, oft mit einer gesellschaftpolitischer Botschaft (von Hippies bis zu radikalen Polit-Kollektiven) neue Freunde fanden, fehlten den botschaftslosen Petards schlichtweg die Hits. Als von Rockgruppen eher Gesellschaftskritisches erwartet wurde, konnten sie nichts mehr zulegen, weder inhaltlich noch musikalisch.

   Als Ray King 1972 wieder ging und Bernd Wippich zurückkehrte, war es eigentlich schon zu spät. Die Anzahl der Auftritte nahm rapide ab, das Geld wurde knapp, das Haus wurde gekündigt, der Roadie mußte gehen und schließlich wollte die Plattenfirma ihre neueste LP, Pet Arts, nicht mehr veröffentlichen. Hätten im Jahr zuvor die Aufführungen von "Tut was ihr wollt" im Theater in Darmstadt, sowie das auch finanziell erfolgreiche 2. Herzberg Festival nicht für einen gewissen Ausgleich gesorgt, hätte man das Handtuch schon früher geworfen.

   Es gab viele verheißungsvolle Momente im Leben der Band, doch der Durchbruch, wie man ihn sich erhoffte, blieb aus. Im September 1972 war dann endgültig Schluß.

   Nur zweimal kam man noch zusammen: einmal bei Familie Ebert in Schrecksbach und dann 1984 im TV Studio in Kassel.

   Der Rest ist Legende.

 

 

Über die Endphase der Band

Auszüge aus Roger Waldmanns damaligen Aufzeichnungen

Als Fan kennt man die strahlenden Gesichter der Helden auf der Bühne, auch die müden Gesichter danach in der Garderobe. Aber nur selten erlebt ein Außenstehender konkretes über Gruppenkonflikte. Die werden bei Musikern oft im Studio oder auf den langen Fahrten zwischen den Gigs ausgetragen. Rüdiger Waldmann hat im letzten Jahr der Petards, nach dem Ausscheiden von Mastermind Klaus Ebert, eine Art Gruppen-Tagebuch geführt, das sehr aufschlußreich, typische, hundertfach abgelaufene Gruppenmechanismen am Beispiel der Petards schildert.

 

15. August 1971

"Gestern, nach dem Auftritt in Düsseldorf haben wir Bernd erklärt, daß wir ihn doch zum 31. August 1971 rausschmeißen. Er ist ein Charakterschwein oder Kameradenschwein. Er tritt uns mit Füßen ins Gesicht, und unsere Gutmütigkeit, Willen zum Verzeihen und unsere Geduld. Ab morgen proben wir mit Ray King von den Sonics. Für uns ein Risiko, aber wir sind zuversichtlich."

 

17. September 1971

"Ich fühle mich einsam. Es geht mir nicht gut. Habe Schulden. Mein BMW ist immer noch nicht verkauft. Arno und ich haben auch noch kein Haus in Kassel gefunden...

Heute haben Arno, Horst und ich geprobt. Titel von Horst. Ich finde das ist Bubblegum Musik. Diese Billigkeit deprimiert mich. Musikalisch gesehen hatten wir mit Bernd einen guten Standard erreicht. Ich war das erstemal zufrieden und hatte das Gefühl, zu guter Musik beizutragen. Ich will diese billige Musik gerne unter anderem Namen herausbringen, aber nicht unter Petards. Arno ist der gleichen Meinung wie ich und auch Ray. Das Horst klar zu machen ist schwer. Er legt jedes Wort auf die Goldwaage und ist leicht beleidigt oder eingeschnappt. Das erschwert die Diskussion unwahrscheinlich. Man muß auf der Hut sein, kein falsches Wort zu sagen, wodurch er sich irgendwie beleidigt fühlen könnte. Ich sage oft Dinge, die ich nicht so meine, oder die mir nicht so wichtig sind. Insofern müßte mich Horst eigentlich kennen, aber er nimmt jedes Wort absolut.

Arno ist zwar ein herzensguter Kumpel, aber die billigen, albernen Sprüche und Gags kann ich nicht mehr hören. Ich könnte durchdrehen, wenn ich daran denke, daß ich nächste Woche 28 Jahre alt werde, Abitur habe, schon fünf Semester studiert habe und jetzt im täglichen Leben nur mit Quartanerblödeleien konfrontiert werde. Soviel zu Arno. Bei Horst, der die Blödeleien ebenfalls mitmacht, habe ich manchmal den Eindruck, daß er mich nicht ganz für voll nimmt. Ich bin deprimiert, schlafe seit langem schlecht und sehe schlecht aus."

 

20. Dezember 1971

"Die Darmstädter Premiere des Musicals am 11.11. lief gut. Die Zeitungskritiken waren auch alle gut, bis teilweise auf die Lautstärke, obwohl wir fast mit Zimmerlautstärke spielten. Mehr als in Bremen wirken wir schauspielernd mit, haben auch viel Text, von der Balletmeisterin einstudierte Tanzfiguren, sehr lustig, oft zu lustig. Wir singen, im Kreise hüpfend, "Sechs kleine Negerlein ...". Am Schauspielerischen habe ich sehr viel Spaß. Die anderen nicht so viel.

Während unserer Zeit in Darmstadt bin ich wieder mit Bernd zusammengekommen. Wir haben uns lange unterhalten und uns in musiktheoretischen Dingen und im musikalischen Geschmack und Methoden der gefühlsmäßigen Zusammenarbeit so gut verstanden, daß Bernd mir anbot, in seiner neuen Gruppe, falls wir aufhören würden, als Bassist einzusteigen. Sicher, das hat mich sehr gefreut, aber für mich gibt es nur die Petards. Ich habe ihm deshalb angeboten, wieder zu uns zu kommen. Horst hatte den Gedanken unabhängig von mir. Mit Ray kann ich nicht zusammenarbeiten, Horst auch nicht, Arno überblickt das nicht so oder will es nicht wahrhaben. Ray liegt geschmacklich und stilistisch ganz anders als ich."

 

7. Januar 1972

"Noch einmal zu Bernd. Am 1. Dezember waren Horst, ich und auch Arno dazu entschlossen, Bernd wieder in die Gruppe aufzunehmen. Schon vor einiger Zeit habe ich Arno und auch Horst gesagt, daß ich im Frühjahr/Sommer aufhören werde, falls wir nicht mit Bernd weitermachen würden. Wenn ich schon noch mit 28 aktive Musik mache, dann möchte ich wenigstens absolute Selbstbestätigung in der Musik finden, was mir aber nur mit Bernd möglich ist. Dieses wäre für mich die einzige Berechtigung, noch weiter Musik zu machen. Alles andere bedeutet für mich verlorene Zeit... Bernd hat sich jedoch kurzfristig drei Musikern einer 'Hauke' Gruppe aus Frankfurt angeschlossen, die genau seinen Vorstellungen entsprechende Musik machen. Damit sind für mich die Würfel gefallen. Horst wollte sogar schon zum 1. März aufhören, macht aber noch weiter mit, da wir sowieso aufhören wollen. Voraussichtlich im April oder Mai."

 

12. April 1972

"Seit dem 13. März spielen wir wieder mit Bernd Wippich. Es ist kaum für möglich zu halten. Wir verstehen uns unwahrscheinlich gut. Sogar Arno, der bislang immer eine Abneigung gegen ihn hatte, versteht sich plötzlich glänzend mit ihm. Arno singt sogar mit ihm (nicht auf der Bühne). Bei den letzten Auftritten mit Ray war Arno meistens (immer) leicht betrunken, damit er 'die Scheiße nicht mehr hören muß', wie er selbst sagte. Sein Spielen ist auch dementsprechend schlechter geworden. Beim ersten Spielen mit Bernd saß Arno mit rotem Kopf am Schlagzeug und versuchte sich anzustrengen. Bernd lockte ihn nach und nach aus der Reserve. Arno spielt jetzt besser mit Sinn und Verstand ... Der neue Wind in der Gruppe betrifft natürlich auch mich. Es ist schön, mit Bernd zu spielen, Musik zu machen. Er achtet mich auf der Bühne als Mensch und als Musiker. Selbst Musik zu fühlen, habe ich erst gelernt, als Klaus bei uns am 31.12.1970 aufgehört hat.

Dennoch will ich am 1. Juli aufhören. Es ist zu spät. Im September werde ich 29 Jahre alt. Ich habe lange nachgedacht.... Außerdem möchte ich heiraten und eine Familie gründen."

Im Sommer 1997 heiratete Rüdiger Waldmann zum dritten Mal.

 

 

 

  5. DIE FANS 

 

Das Wir-Gefühl der Petards-Fans war ausgesprochen stark und wurde von diesen irgendwie als gottgegeben akzeptiert. Hatten wir doch keine Ahnung, wie datailgetreu die Petards den Promotionsplan von H.W. Kutze umgesetzt hatten. Was hatte Kuntze ihnen 1966 empfohlen?:

- Fan Clubs gründen (sofort und ständig)

- Fanclubs laufend mit Rundschreiben und neuen Meldungen versorgen.

- Fanclubs mit Handzetteln (wenn neue Platten erschienen sind) und Autogrammkarten bzw Plakaten versorgen.

- Fanclubs zur aktiven Teilnahme an Hitparaden-Einsendungen motivieren.

Außerdem stand die Mundpropaganda der Fans ganz oben in der Effektivitätsliste. Sie verteilten Fankarten, fütterten die Musikboxen mit Groschen um 'ihre' Stücke zu hören und anderen vorzuspielen, auf Parties und Diskotheken äußerten sie immer die selben Wünsche. In Plattengeschäften wurden massenhaft Petards-Platten unter falschen Namen bestellt - Hauptsache sie waren auf Lager. Zeitschriften und Radioanstalten wurden von Petards-Wunsch-Briefen bombadiert.

   Konkret sah das dann so aus, daß kein Fan an einem Plattengeschäft vorbei gehen konnte, ohne die aktuelle Petards LP ganz vorn, gut sichtbar, in den Plattenstapel zu stellen. Aus allen Bravos am Kiosk  wurden die Bambi-AbstimmKarten heraus genommen, ausgefüllt & eingeschickt. Die Petards waren die erste Band mit eigenen Stickern, die von uns überall hin geklebt wurden.

   Die Fan-Betreuung oblag Roger und dort fand er wahrscheinlich mehr Bestätigung, als als Bassist innerhalb der Gruppe. Immerhin brachten sie es auf die stattliche Anzahl von fast 400 aktiven Clubs, die über Jahre regelmäßig mit Infos versorgt wurden. Kein Wunder, daß er von allen Musikern auch heute noch die meisten Fan-Briefe aufgehoben hat. Ein guter Teil davon kam aus dem Ausland.

   Mehrfach wird in den damaligen Presseartikeln über die Petards von einer Rumänien Tour geschrieben - die jedoch nie stattfand. Daß es trotzdem in Rumänien viele Petards Fans gab (davon zeugt ein dicker Stapel Fanpost), lag wohl vor allem an den Sendungen der US-Propaganda Radiosender wie Radio Liberty, in denen sie wiederholt vorgestellt wurden. Hier ein typischer Briefausschnitt, Original-Rechtschreibung wurde beibehalten):

"... und so hab ich bemepct euren grosen talent für schpilen.

Damit verschprohen habt dass ihr schicen verdet Schal Platen und das Bild von euren Formatzion. Ich bit euch wen es möglich ist das mihr schict die Schal Plate wo ihr habt inregistriert Lider von der Formatzion Credeence Clewater Revival...."

   Zu den Fans ihres Auftretens und ihrer Musik kamen natürlich auch noch die Groupies, die sich durch den Kontakt mit den oberhessischen Sexsymbolen aufgewertet fühlten. Immerhin sangen die Jungs ja auch einladend: "It's allright, I'll be with you tonight". Ein Groupiebrief, der aufzeigt, wie hin- und hergerissen die Mädels waren: "Ihr süßen Schnuckelchen ... Ihr gemeinen Kerle, Schweine! Wenn ihr es immer so treibt, ist es bald aus mit euch. Anstatt, daß ihr euch eine feste Freundin suchen würdet, hurt ihr mit jedem Mädchen rum, das euch über den Weg läuft. Ihr habt ja kein bißchen Scham in eurem vollgefressenen Bauch. Ihr seid sehr voreingenommen von euch, ihr Spinner. Aber trotzdem ein Kompliment. Im Bett (!) seid ihr eine Wucht. Das ist auch alles. Zum Kotzen, Hurensöhne. Geile Vögel. Alberne Platten bringt ihr immer raus: 'Shoot me up to the moon!'. Wenn man das schon hört ... Ob ihr auf dem Mond auch so Chancen habt wie hier? Hi, hi, daß ich nicht lache. Guckt euch doch mal im Spiegel an. Ich würde mich aufhängen, wenn ich so eine Fresse hätte. Ihr seid doch keine Männer mit euren Schwabbelmuskeln. Und trotzdem lieben wir euch, mehr als alles in der Welt. Wir brauchen euch verkommenen Stücker. Liebe, Liebe, wo bringt sie einen hin? Kommt zu uns, sonst gibt es wieder zwei Selbstmörderinnen. Zieht wenigstens saubere Unterwäsche an. Wir können ohne euch nicht leben..."

Aber nicht nur die Petards und ihre Groupies erfreuten sich leiblich. Es waren prüde Zeiten und durch die Rock & Beatmusik wurde die Jugend geradezu schamlos aufgegeilt. "Der Beat ist das Instrument der sexuellen Befreiung. Große Vibrationen. Diese kleinen Mädchen, vierzehn oder fünfzehn Jahre alt, die da unten sitzen und euch zuhören, sind noch Jungfrauen. Sie kennen Sex nur vom Hörensagen. Aber der Beat beginnt in ihnen zu vibrieren, und irgendwo in ihrem Körper beginnen sie zu verstehen.", schrieb damals Allen Ginsberg. So wurden die zwei, drei Minuten völliger Dunkelheit vor einem jeden Petards Konzert auch ungestört rumgeknutscht. "I think we're alone now....". Beatbands heizten die Atmosphäre erotisch zu einem Gruppenerlebnis von Musikern und Publikum auf. Diese Erotisierung führte aber nur manchmal zu einer direkten, polaren Beziehung, schließlich tanzte man nicht traditionell eng umschlungen, sondern individuellen Freistil, im selben Rhythmus wie die groovende menschliche Biomasse im Saal. Und das war alles neu.

   Es ist nicht zu ergründen, wieviele Fans die Petards hatten, zumal es von dem Begriff keine genaue Definition gibt. Zählt man jene 400 Jugendliche, die einmal einen Fanclub leiteten oder auch die 2-3000 Mitglieder dieser Clubs. Oder die hunderttausend Konsumenten, die A Deeper Blue kauften oder die 200 Tsd. die für sie in Hit Paraden abstimmten? Die Petards machten das geschickt, war ihnen doch bald klar, daß die Fans ihr bestes Kapital waren. "Jeder Petards-Fan soll selbst ein kleiner Petard sein - kein Unterschied zwischen uns und unseres Fans". So die Außendarstellung. Im täglichen Leben wurden die Fans allerdings oft zur einer nervigen Angelegenheit. Humorvoll bis zynisch bezeichnete man sich selbst als 'Gott', die Roadies, mit dessen Hilfe sich so mancher Fan und so manches Groupie Zugang zu den 'Göttern' verschaffen wollte, wurden zu 'HalbGöttern'. Und das in direkter Nachbarschaft zum erzkatholischen Fulda!

   Natürlich erfreute es die Musiker, wenn so viele Mädchen auf ihnen standen. Man war aber ebenso erfreut, daß auch viele Jungen zu den Konzerten kamen, denn die kamen wegen der  musikalischen Qualitäten. So gab es eine erklekliche Menge männlicher Fan Club Leiter, einige davon waren richtiggehend fanatisch.

   Der Vater eines Fans hatte eine Druckerei. So entstand 1969 ein kleines Fan-Büchlein: The Petards - Schwarz auf Weiß, ein Beispiel von bravstem, naivstem & begeisterungsfähigem, aber auch typischem Fansein. Good clean fun. Daraus ein Auszug:

 

"Mit den Petards unterwegs

Am Sonntag stand ich um 13 Uhr mit meiner Schwester am Hauptbahnhof Mannheim. Zwei komische Typen schienen auch auf jemanden zu warten. Sie kamen mir irgendwie bekannt vor, weshalb ich sie auch anquatschte. Meine Nase trog mich nicht. Sie warteten auch auf die Petards. Sie sahen halb vergammelt aus. Es waren ein FC-Leiter aus Heidelberg und ein Bekannter der Gruppe (Hm, einer davon war der Chronist). Mit der üblichen Verspätung kam ein BMW 2000 TI vorgefahren. An der Fahrweise erkannte ich sofort Roger. Als Beifahrer war Klaus mitgekommen. War das ein Wiedersehen. Zu sechst fuhren wir dann nach Altlußheim, wo die erste Veranstaltung des Tages angesetzt war. Pünktich konnten die Petards beginnen, da die Anlage schon aufgebaut wurde, als wir noch in einem Lokal zu Mittag gegessen haben. Natürlich wurde viel geblödelt.

Der Saal der Diskothek war gerammelt voll. Wir saßen gleich neben der Bühne, hinter den Verstärkern der Gruppe. Ich selbst war andauern unterwegs, um ein paar Bilder zu schießen, die auch wirklich zum großen Teil prima waren. Der Auftritt mußte leider ohne die Light-Show überstanden werden, da der große Saal nicht richtig verdunkelt werden konnte, und es ja erst gegen 16 Uhr am Nachmittag bei strahlender Sonne war. Roger und Klaus waren sauer, Horst sogar fast böse, weil es mit der Lichtanlage nicht klappte. Trotzdem zeigten sie sich von der besten Seite. Schon nach 15 Minuten kamen sie ins schwitzen. Arno am Schlagzeug natürlich am meisten. Das Publikum war zufrieden und bestürmte die Petards um Autogramme. Wir mußten die Petards richtiggehend durchschleusen zu ihrer Garderobe. Das ganze Happening dauerte eine 3/4 Stunde. Dann zogen wir ab, weiter in Richtung Worms.

Obwohl wir mit zeitweise 120 km/h und noch mehr nach Guntersblum bei Worms rasten, kamen wir mit ca. 30 min Verspätung an. Noch schneller als je zuvor wurde die Anlage aufgebaut. Da inzwischen schon Nacht war (etwa 19 Uhr), klappte es auch mit der Lightshow. Das Publikum ging mit, und so wurde hier eine ganz andere Richtung angespielt. Unter anderem legte Arno ein 15 Minuten-Solo hin, daß alles nur so staunte. Arno macht das mitunter bis 3 x am Tag, wenn es sein muß. Wieder das selbe Bild wie zuvor. Autogrammsammler und Fans stürmten die Garderobe. Mädchen ließen sich auf die Arme und in Poesiealben schreiben. Plattenhüllen und Bilder wurden angeschleppt. Die Petards machten jeden Blödsinn mit. Mein Kugelschreiber war andauernd unterwegs. Meine Schwester und ich wurden oft neidisch angesehen, besonders als ich an Rogers Auto ging, seine Gitarre trug und mit Klaus herumtobte.

Mit neuen Spitzengeschwindigkeiten, mit einem Ford Transit fuhren sie über 110 km/h, rasten wir gegen Kirchheim-Bolanden. Dort kamen wir kurz nach 22 Uhr an. Jetzt sollten wir eine Überraschung erleben. Der Hallenbesitzer hatte das Publikum schon wieder nach Hause geschickt, da wir über eine Stunde Verspätung hatten und niemand mehr damit rechnete, daß wir noch kommen würden. Ein Reinfall!!

Gegen Mitternacht setzte uns Roger vor unserer Haustür ab.

So sieht ein Tag mit einer Startruppe aus. Eine Hetze, viel Spaß, neidische Blicke, Aufregungen, manchen Blödsinn und wieder eine Hetze."

 

   In Zeiten, in denen es in vielen Elternhäusern krachte, war es gut, mit Gleichgesinnten ein neues Zuhause zu haben, und sei dieses Zuhause zeitlich und räumlich auch immer nur stark begrenzt gewesen: bei Petards Auftritten. Da war man Eltern, Chefs & Authoritäten für den Zeitraum X los, da war man unter sich und konnte sich ausleben. Nicht, daß wir Fans eine homogene Masse gewesen seien, aber irgendwie stellten wir eine ambulante temporäre autunome Realitätskommune dar, die sich ein, zweimal die Woche irgendwo in der Umgebung bei einem Konzert zusammenfand. Als der Chronist zur Recherche für diese Liner Nots letzthin durchs Oberhessische fuhr, erkannte er nur jene Ortsnamen wieder, in denen damals die Petards gespielt hatten. Dort fühlte man sich immer näher am Paradies als im Elternhaus oder dem Arbeitsplatz. Kleine Fluchten.

 

   Dieter Diebel war ein weiterer HardCoreFan. Er füllte z.B. eine ganze Schulkladde mit einem Report darüber, wie er versucht hat, die Petards in Holland populär zu machen. All die üblichenFanTricks, wie z.B. in Geschäften LPs auf andere Namen zu bestellen etc., aber auch direkte Gespräche mit vielen DJs, Radiotypen etc. Darüber hat er fein säuberlich für die Musiker Protokoll geführt. Vorbildlich. Dieter wurde nach Auflösung der Gruppe zum Ex-Ehren-Roadie und Petards-Nachlaßverwalter ernannt. In der Tat hatte er den Spruch von 'Jeder Fan ist ein Petard' so verinnerlicht, daß er sich der Gruppe zugehörig fühlte. Als alles vorbei war, schrieb er an Florian Tennstedt: "Seit wir uns aufgelöst haben, ist nichts mehr los. Ich bin einsam und verlassen, habe meine Arbeit und keine Zeit."

   Die Unterstützung der Clubs durch die Musiker war nur minimal. Die Clubleiter bekamen Autogrammkarten, Poster, Sticker und Abziehbilder in erheblichen Stückzahlen, aber finanzielle Zuschüsse leisteten die Petards nicht. Schallplatten wurden zum Selbstkostenpreis abgegeben. Außerdem gab es die kostenlosen Fanclub-Rundschreiben, durch die die Clubleiter immerhin einen gewissen Informationsvorschuß bekamen, mit dem sie in ihrem sozialen Umfeld werbend angeben konnten.

Ein paar beispielhafte Zitate aus den Fan-Rundschreiben der Band:

15.1.68

Liebe Petards Fans!

Sicherlich habt Ihr am vergangenen Sonntag vergebens am Radio gesessen und auf 'Shoot me up to the moon' in der Luxemburger Hitparade gewartet. Wir haben in Luxemburg angerufen und man hat uns daraufhin gesagt, daß aus manchen Gegenden Ballungen von Postkarten gekommen wären. Wir hatten weitaus mehr Stimmen als die Beatles auf dem 1. Platz. Man hat uns au0ßerdem zugesichert, bei unserem nächsten Interview in Luxemburg, diese 'Hitparadenangelegenheit' noch einmal zur Sprache zu bringen...

Hbat Ihr schon die gelben Stimmkarten für die Otto-Wahl an die Bravo abgeschickt? ..."

22.1.68

Lieber Petards Fan!

Die vergangene Woche brachte uns zwei sensationelle Erfolge. 'Shoot me up to the moon' erreichte in der Schlagerbörse des Hessischen Rundfunks den

1. Platz

In der Hitparade des Südwestfunks erreichten wir ebenfalls den

1. Platz

Ist das nicht toll? Wer hätte das wohl gedacht. Wir möchten euch bitten, zu versuchen, diese Plätze zu halten. Unsere nächste Single heißt 'Golden Glass' und wird wahrscheinlich schon in 14 Tagen erscheinen ... Denkt an die Otto-Wahl ...

Kurz drauf, ohne Datum

Sicher habt Ihr schon die neueste Ausgabe der Bravo gelesen und festgestellt, daß die Petards nicht einmal 155 Stimmen bei der Otto-Wahl gehabt haben sollen. Dieses schien uns unmöglich. Bei einem Telephongespräch mit der Bravo wurde uns gesagt, wir hätten nicht einmal 75 Stimmen - meiner Meinung nach ein Ding der Unmöglichkeit, zumal ich bestens informiert bin, daß es Clubs von uns gibt, die schon alleine 50 Stimmen für uns abgegeben haben. Offensichtlich ist es so, daß die Bravo, Deutschlands größte Jugendzeitschrift, nichts über die Petards, eine der führenden Gruppen Deutschlands, bringen will. Wir persönlich sind gegen eine Zeitung wie die Bravo ja machtlos. Ihr aber, unsere Fans, seit ja diejenigen, die den Inhalt solcher Zeitungen bestimmen sollten...

24.2.69

In der vorigen Woche hat der Sender BBC-London einen Europa-Schlager-Wettbewerb durchgeführt, an dem sich verschiedene europäische Sender beteiligt haben. Von Deutschland wurde 'Eloise' und 'Pretty Liza'  in den Wettbewerb geschickt. Wir belegten einen beachtlicxhen 9. Platz.

In einer gemeinsamen Umfrage von Radio Luxemburg und dem Saarländischem Rundfunk sind wir zur beliebtesten Beat-Gruppe Deutschlands gewählt worden. Auf dem 2. Platz lagen die Lords, auf dem 3. die Wonderland

5.1.1970

 ...Pretty Liza kam im Jahresrückblick von Stars & Hits auf den 7. Platz und wir selbst sogar auf den 3. Platz (hinter den Bee Gees und Beatles).

Soweit einige Dinge, übert die wir uns gefreut haben! Sehr nachdenklich hat uns der Brief unseres Fanclubs in Bleidenstadt gestimmt, aus dem wir hier zitieren möchten: "Wir sind wütend! Habt ihr am Samstag 'Stars und Hits' gehört und seid ihr mit euren Fanclubs zufrieden?  Wenn nicht, so ist das nicht verwunderlich. Erst wart ihr auf dem 17. Platz, mit 304 Stimmen, davon 249 von uns, also rund 60 Stimmen von den anderen Clubs. Dann 11. Platz mit 673 Stimmen, davon waren 613 von uns, folglich 60 Stimmen von anderen ... Also, versteht dies nicht falsch, dies soll keine Selbstverherrlichung sein, aber ehrlich, ohne unsere Stimmen wärt ihr garnicht in der Hitparade drin. Findet ihr das nicht auch unmöglich?" Das fanden die Musiker auch und baten die anderen Clubs entsprechend um intensiveren Einsatz. 

 

Frage an Horst: "Wie ist der kometenhafte Aufstieg der Petards zu erklären?"

Horst: "Nun, zunächst sind wahrscheinlich unsere Fanclubs nicht ganz unschuldig daran. Durch die Fanclubs sind wir erst in die Hitparaden gekommen und damit hat es erst richtig angefangen."

? "Wollen Sie sich jetzt langsam von den Fanclubs lösen?

Horst: "Nein, das nicht. Aber die Fanclubs sollen mehr in den Hintergrund treten, denn jetzt soll das Publikum entscheiden. Wir wollen doch die 'breite Masse' ansprechen."

 

Ein späteres Fanclub-Rundschreiben zeigt, daß die Begeisterung der Fans oft größer war als ihre Zuverlässigkeit:

"Liebe Clubleiter!

Der Brief, den Du heute bekommst, ist etwas unangenehmer Natur. Bei der Durchsicht unserer Bücher zum Jahresende haben wir festgestellt, daß Du noch Schulden für Fan-Clubmaterial bei uns hast.

Zuerst wollten wir keine Mahnung schicken, da das Prinzip unserer Arbeit mit Euch Vertrauen ist. Dieses Vertrauen ist bislang auch von keinem Clubleiter mißbraucht worden. Nun ist aber die Zahl der Clubs in ganz Deutschland so stark gewachsen, somit auch der Bedarf an Fan-Material, daß die Außenstände für dieses Material sich auf über DM 2000.00 belaufen.

Seid also so gut und helft uns bei unserer Arbeit, indem Ihr sofort zur Post geht, und diese Sache erledigt, damit wir alle mit einem besseren Gefühl ins neue Jahr gehen können."

War das damals so zynisch gemeint, wie es einem heute vorkommt?

 

The End

Letztes Petards Fanclub Rundschreiben im Oktober 1972

"Liebe Freunde!

Wir müssen Euch leider eine recht betrübliche Mitteilung machen: Am 3.9.72 hatten wir in Wiesbaden unseren letzten Auftritt als The Petards.

Wir haben jetzt über fünf Jahre zusammen Musik gemacht, ohne den ersehnten 'ganz großen' Durchbruch zu schaffen. Und unsere Hoffnung, dieser könnte in den nächsten Jahren kommen, ist ziemlich gering geworden. Deshalb - und auch aus einem Teil Unzufriedenheit mit der augenblicklichen Situation auf dem deutschen Pop-Markt heraus - haben wir uns getrennt.

Bernd  wird eine neue Gruppe gründen, Arno wird wahrscheinlich auch in eine andere Gruppe einsteigen, Roger wird seine Zukunft als Plattenproduzent gestalten und Horst wird Mathematik studieren.

Schallplatten wird es keine mehr geben, die schon fertig produzierte neue LP wird u.U. auch nicht mehr erscheinen und Rundschreiben und so werden wir nach diesem auch keine mehr verschicken.

Wir wollen uns bei Euch bedanken für die Arbeit, die ihr in Euren Fanclub investiert habt und wir würden uns freuen, auch weiterhin mit Euch in Verbindung zu bleiben."

   Anschließend bat man noch um Mitarbeit bei einer 'kleinen soziologischen Untersuchung' von Horst. Die Trauerbriefe ob der Auflösung der Gruppe erbrachten auch positive Aspekte:

" Gelohnt hat sich die Clubarbeit trotzdem, denn durch sie haben wir ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl bekommen, was gerade die heutige Jugend meines Erachtens braucht. Der Club hat uns aber nicht nur den Stars nähergebracht, sondern auch uns selber."

"Es hat schon Spaß gemach, bestimmt! Es ist wohl richtig, daß Ihr das 'gelohnt' in eurer Frage in Anführungsstriche gesetzt habt, denn materiell hat es sich bestimmt nicht gelohnt. Aber ich mochte eure Musik. Und wenn ich etwas mag, dann muß ich mich dafür einsetzen, das ist mir so eigen."

"Ich hatte das Gefühl, daß die Petards und ihre Fans zusammen gehören. Wenn ihr auf dem Platz 1. der Hitparade ward, konnten wir sagen: "Wir haben es geschafft!". Wir freuten uns mit euch."

We really did.

 

Selbst jahrelang Knallfrosch gewesen

Ein hard-core Fan erinnert sich bruchstückhaft

Klar war, daß ich von zuhause weg wollte. Irgendwohin. So verschlug es mich als Kochlehrling über 200 km von daheim, nach Alsfeld, auf die Pfefferhöhe. Mit Rockmusik war da wenig, wenn man über 10 Stunden am Tag malocht und erst abends um 22 Uhr fertig ist. Einmal kam Casey Jones & seine Gouvernors zum Essen, ansonsten wäre die Zeit kulturell gesehen, abgesehen von ein paar Trampfahrten nach Hamburg in den Star Club, total tote Hose gewesen, wenn da nicht die Petards gewesen wären.

Wo auch immer sie im Oberhessischen spielten, wir schafften es nach unserm Dienst meist noch zu den Zugaben hinzukommen. Und dann ging die Post ab und das Leben los. Ein lauter, bunter & hipper Quantensprung. Von der ersten Begeisterung zum wahren Fan war es nicht weit & schon bald war ein Leben ohne Petards kaum noch denkbar. Fleißig schrieben wir Karten an die Hitparaden & Bambiwahlen und brachten uns echt ein. Ein paar Highlights aus dem Stegreif:

- Konzert in der Fleckviehhalle in Fulda. 'Blumen für die Polizei' stand auf den Plakaten. So hielten wir auf der Fahrt nach Fulda irgendwo an und rupften armeweise Sonnenblumen aus einem Vorgarten. Ich steckte mir drei hinten unters T-Shirt in die Hose, so daß über meinem Kopf ein Sonnenblumenkranz leuchtete. Frühes Love Parading in Fulda.

- Open Air in Wiesbaden mit den Small Faces, Dave Dee, Dozy.... & den Lords. Backstage schrieb ich stundenlang die Autogramme aller vier Musiker, die keinen Bock drauf hatten. Wie oft ich wohl für Arno mit 'Jesus' signiert habe?

- Ich klebte z.B. 1967 einen in die Toilette des legendären Londoner Marquee Clubs, der dort mindestens zehn Jahre babbte.  

- Einweihung der neuen GemeindeHalle in Schlitz an der Schlitz im Schlitzerland. So stolz sind die Stadtherren darauf, daß sie für die Jugend nachmittags ein Petards-Konzert ansetzen. Ich hatte zu Weihnachten ausreichende Vorräte an Wunderkerzen besorgt (Hey, das war noch die Zeit vor den Feuerzeug-anmach-Orgien) & irgendwann stieg vor der Bühne ein MiniFeuerwerk.Teile davon fielen auf den Boden und hinterließen in dem brand!neuen Teppichbelag böse Spuren. Die örtliche Presse tobte, der Jugend wurde jegliches Gefühl für Gemeinsinn abgesprochen & ich war der Böse Bube. Hey, Annette O!

- Beim Konzert in Bad Hersfeld schnüffelten wir an Räucherstäbchen, taumelten anschließend etwas herum & verkauften die Stäbchen anschließend für 5 DM das Stück als Haschisch. Man verzeihe.

- Ich war wiederholt mit der Band unterwegs. Vor dem Mannheimer Hauptbahnhof holten wir einmal einen jungen Veranstalter eines Schülerfestes ab (siehe auch vorstehender 'Fan-Bericht'). Hektisch & nicht so arg sympatisch. Nun, es war sein erstes Konzert. Inzwischen saß er wg. steuerlichen Millionensünden hinter Gittern: Mathias Hoffmann, WeltPromoter der 3 Tenöre etc. Er hat mit den Petards angefangen ...

- Als ich meinen Ersatzdienst in Heidelberg bei Querschnittgelähmten ableistete, durfte ich 30 Leute in Rollstühlen umsonst zum Konzert in der Stadhalle mitbringen. Außerdem konnte ich mit zu einem Konzert in den US Kasernen, die ansonsten für uns Einheimische ja off limits waren.

- Mein erstes Mal in London. Natürlich eine Petards LP dabei. Konzert von The Taste im legendären Marquee Club, bei dem John Lennon anwesend ist. Mir gelingt es, die LP während der Pause spielen zu lassen (vielleicht nur ein Stück, me no remember). Schreibe Postkarte nach Oberhessen: John Lennon hat 'A Deeper Blue' gehört. Als ich nach zwei Wochen zurück komme, weiß man im Oberessischen, daß John Lennon die nächste Petards LP produzieren wird. Oder so.

- Im Herbst 1969 dann ein Konzert in Weinheim/Bergstraße. Ich war Junghippie und in einer Mission unterwegs: junge Leute in Kleinstädten bekifft machen. Klappte ervorragend, ich habe heute noch Kontakt zu Weinheimer Ex-Freaks, die ich damals kennenlernte. Verhängnisvoller, daß ich Backstage erstmals die Freundinnen der Musiker antörnte. Als sie plötzlich auf die Bühne tänzelten, trafen mich vernichtende Blicke vom Gitarristen. Unser Verhältnis war danach dauerhaft gestört. 'Stone free' singen & sein sind halt zwei verschiedene Paar Schuh.

 

   Insgesamt werde ich weit über 50 Petards Konzerte miterlebt haben. Heute vermag ich kaum zu vermitteln, wie wichtig diese Konzerte damals für uns waren. Ins Leben integriertte Rockmusik. Wichtig, wie eine Insel im Ozean, denn was gab es denn sonst für uns? Mein Freund Paul Williams hat zwar die Petards nie erlebt, aber aus seiner Sozialiisation heraus die richtigen Worte gefunden: "Rock and Roll führt mich in Versuchung, mehr 'Ich selbst' zu sein. Ja, er geht noch weiter. Er führt mich an meine schwachen Stellen. Öffnungen in mir, auf die ich sonst vielleicht nie gekommen wäre. Vielleicht erst nach Jahren der konzentrierten Selbstfindung. Immer schon funktioniert er als heiße Raketentour raus aus der Gemütlichkeit, dem Vertrautem, der Sicherheit, rein in die Gefahr, Leidenschaft, das Unbekannte, die Kreativität und unberechenbare, irrationale Freude.

Rock and Roll wirkt für mich ähnlich wie das I Ching. Zwar sind in dem Buch der Wandlungen die Anweisungen genauer, als bei der Musik, diese hat aber die größere Fähigkeit, meine mentalen Abläufe links liegen zu lassen und direkt meine Gefühle, mein Herz anzusprechen. Rock and Roll bewegt mich in Regionen, von deren Existenz ich vorher nichts ahnte, vor denen ich gar Angst hatte. Sphären, denen meinem Gehirn der Zugang verboten ist. Rockmusik ist eine Abkürzung zum Unbekannten in mir."

   Die Petards zeigten uns diese Abkürzung. Kam ich mit den anderen Lehrlingen während der Arbeit nur mäßig aus, waren wir bei den Petards vereinte Kumpel. Eine andere Realität. Menschlicher. Ehrlicher. Mehr Leben als bei der Arbeit oder in der Schule. Wobei ich im ersten Lehrjahr ein großes Handicap mitschleppte: als ältester Lehrling im 1. Lehrjahr durfte ich auf Anordnung der jüngeren Lehrlinge im 2. Lehrjahr jeden Tag einen Sack Zwiebeln schälen. Machtspielchen. Entsprechend roch ich, auch nach gründlichem Duschen. Wen wird's wundern, daß ich folgerichtig eine Köchin zur Freundin hatte?  Bei den Petards aber akzeptierten auch meine vorgesetzten Lehrlinge meine Englischkenntnisse. War ja hilfreich, wenn einem einer die Texte etwas verklickern konnte. Für einen Provinzler war ich auch recht rockbewandert, war '67 trampend nach Liverpool & London und ab '65 wiederholt nach Hamburg in den Star Club gepilgert. Da hörten alle Daheimgebliebenen gerne meine naive Bestätigung, daß 'unsere' Petards in der großen weiten Welt überall mithalten könnten. Außer gegen die Boots aus Berlin, aber das ist eine andere Geschichte.

   Bei den Petards konnte man (auch ohne alkoholisiert zu sein) die Sau rauslassen. Sich mehr gehen lassen, als man ahnte, daß es machbar sei. Seine Gefühle und Bedürfnisse akzeptieren zu können. 'Confusion all day' mitbrüllen. Klangfetzen aus anderen Liedern mitsingen. Mitschreien. Raus mit dem Rotz, rein in den Klangteppich. Wir waren bei Konzerten wahrhaft viele Petards. Kleine aber feine. Und lautstark.

   Paule hat schon recht als er feststellte: "Niemand kann dir ernsthaft von der Bühne hinunter vorsingen, es sei alles allright. Man muß sich schon selber einbringen, um in einem Lied (dem Text, dem Beat, dem Sound, der Lautstärke oder allem zusammen) die eigene Wut, Angst, Verlangen und Selbstzweifel herauszuhören. Plötzlich fühlst du dich weniger einsam und  wahrscheinlich singst du schreiend mit. Irgendwie muß es doch OK sein, wenn auch jemand anderes so fühlt und sogar gewillt ist, dies in der Öffentlichkeit zu sagen, es zu singen. Und in dir befreit sich etwas, ist nicht mehr unter inneren Schalen versteckt, wenn du es erst einmal benennst und mit voller Lungenstärke hinaus posaunt hast.

   Zugegeben, ich beschreibe hier eine ideale Situation. Die meisten Rockfans und Kritiker und überhaupt viele Menschen, werden (sich? uns?) dieses 'please, please me' Gefühl grundsätzlich nicht eingestehen. Die verhalten sich passiv. Sie wollen befriedigt werden. Sie sind überzeugt davon, daß sie ihren Teil zum Ereignis beigetragen haben, als sie das Geld für den Eintritt bezahlt haben. Vielleicht spielt die Band dieses Spiel ja mit, versucht gnadenlos, das Publikum zu befriedigen und ihnen eine gute Show für ihr Geld zu bieten. Das wird aber nicht so richtig klappen. Es gibt eine natürliche Grenze von dem, was man fühlen kann, wenn man ein Ereignis passiv über sich ergehen läßt. Oder, anders ausgedrückt, Liebe ist um so vollkommener, je mehr sie auf gleichzeitigem Geben und Nehmen basiert. Ich denke, es wird schon so etwas wie einseitige Liebe geben, aber darauf läßt sich keine Zukunft aufbauen."

 

Lang ist's her, als die Petards noch unsere Gegenwart und damit Zukunft beeinflußten. Inzwischen gehören sie zu meinen liebsten Erinnerungen an eine ansonsten recht erinnerungslose Vergangenheit. Viel Steine gab's und wenig Brot, und, absehen von der ersten großen Liebe,  manchmal die Petards, quasi die Butter auf'm Brot.

   Als ich im Sommer 1997 wg. der Recherche zu diesem Booklet für ein paar Tage nach Alsfeld fuhr, fragte ich dort zwei Dutzend mittel-älterlicher Menschen in Geschäften & Cafés: "Erinnern Sie sich noch an The Petards?" Ich erntete ausnahmslos strahlende Blicke, lächelnde Gesichter und Aussagen wie: "Ja, damals war hier noch was los!" Positive vibrations.

   Selbst im Zug zurück in die Zivilisation beugt sich jemand vom Nebensitz rüber und ruft: "Hey, bist du nicht der Pieper? Wir waren doch immer bei den Petards Konzerten. Mit dem Soni. Ich bin der Freddie." Der Freddie versprach, mir einen jener legendären frühen 'Abziehbilder' (heute = Sticker) mit dem Schriftzug der Petards, wie ich ihn seinerzeit auf meinem Paßbild trug, zuzusenden. "Ich habe noch ein Dutzend. Brauche ich auch, weil, jedesmal, wenn ich mir ein neues Auto kaufe, mußn doch der Bepper druff." Klar, Freddie, dafür habe ich vollstes Verständnis. Aber warum hast du dein versprechen aus dem Zug bis heute nicht eingelöst, Freddie?

 

Höre ich mir nun die alten Aufnahmen an, legt sich unwillkürlich ein ganz, ganz breites Lächeln bis Grinsen quer in mein Gesicht. Das mag für Hörer, die die Petards damals nicht live erlebt haben, teils schwer nachzuvollziehen sein, aber für uns, die wir die Petards erleben durften, haben Klaus, Horst, Roger, Arno und auch Bernd die Welt reicher gemacht.

Danke.

 

 

  6. Im Studio

Die genauen Daten aller Petards-Aufnahmen, wie Produzent, Studio, Aufnahmedatum, Besetzungen etc. lassen sich aus dem Track-Listing dieser CD-Box ablesen. 

Für eine ausgesprochene Live-Band wie The Petards waren die ersten Studioaufnahmen ein großes Abenteuer. Durch eine Kleinanzeige in der PopPresse war Horst auf einen Hans-Werner Kuntze gestoßen, der nun als Produzent der ersten beiden Singles der Petards in die Weltgeschichte eingegangen ist.

Die erste LP, A Deeper Blue, wurde in Maschen von Bert Varell produziert, der die Band im Studio des ZDF live bei den Aufnahmen zur 'Talentschuppen' erlebt hatte und entsprechend begeistert war.

Die nächsten LPs (The Petards; Hit Shock) und Singles wurden unter der Federführung von Sigi E. Loch aufgenommen, an den die Band durch Vermittlung von Lippmann & Rau gekommen waren. Die Aufnahmen gingen in der Regel schnell über die Bühne. Zum einen waren viele Titel schon bühnenerprobt, zum andern fing man erst später an, die Studiomöglichkeiten weiter auszuschöpfen. So brauchte man für die Aufnahmen von Pretty Lisa nur 30 Minuten, für die B-Seite Rainbows & Butterflies jedoch schon 14 Stunden.

S.E.Loch war auch Produzent der Fake-LP mit Creedence Clearwater Revivals größten Erfolgen. Von der US-Gruppe gab es noch keine Greatest Hits LP. Also kam ein Cleverle auf die Idee, selbige von den Petards einspielen zu lassen. Die LP zierte ein Sticker: CCR Greatest Hits as played by ZONK (= The Petards). In einem Tag eingespielt, 25 Tsd. verkauft. Wurde sogar in Japan herausgebracht. Die Single zur LP lief unter dem Gruppennamen 'Flittermouse'. Bis die 'einstweilige Verfügung' eintraf, waren alle Platten verkauft.

Mit den Nachfolgern von Loch in der Firmenhirarchie kamen die Musiker nicht mehr klar und so blieb ihre letzte Doppel-LP, Pet-Arts, bei Dieter Dierks in Stommeln aufgenommen, lange Zeit unveröffentlicht.

 

Von den Tonträgern war vor allem A Deeper Blue, mit rund 100 Tsd. verkauften Scheiben, erfolgreich. Kein Wunder, bei dem konkurrenzlosem 5 DM Preis. Die Petards waren froh, überhaupt die Chance zu haben eine LP herauszubringen und haben von dem Billigpreis auch erst später erfahren. Ein paar Jahre später führte Manager Uwe Nettelbeck die Gruppe Faust in England durch eine Billig-LP zu einem Bekanntheitsgrad, von dem sie heute noch zehren. Nettelbeck überzeugte Richard Branson von dem Konzept. Dessen brandneues Virgin Label warf die 'Faust Tapes' für nur 49 pence auf den Markt. Diese LP dürfte es inzwischen auch auf 100 Tsd. Auflage gebracht haben.

Klaus Ebert (und in geringerem Maße auch Bernd Wippich) profitierten von ihren Studioerfahrungen, beide arbeiteten später als Produzenten.

 

 

7. Live

 

Sie beat-en dem Publikum was

"Im riesigen Saal erlischt das Licht, der schwere Bühnenvorhang trennt sich langsam und öffnet sich. Ein langgezogener, schriller und durchdringender Ton erklingt, für viele jenseits der Schmerzgrenze. Zwei Magnesiumlampen werfen von der Bühne grellweiße Blitze ins Publikum. Auf der Bühne erkennt man schemenhaft huschende Gestalten. Durch den Stroblighteffekt geblendet und den schrillen Sound betäubt, scheint man mehr zu ahnen denn zu sehen, wie sich die Musiker ihre Instrumente anlegen. Ein baumlanger Kerl setzt sich hinter das riesige Schlagzeug (zwei BassDrums!) und hämmert den Anfangsrhythmus auf die Felle."

 

So beschrieb Fan Wolfgang Reinicke das legendäre Intro der Live-Auftritte der Petards. Während manche Gruppen heute noch ein paar Srücke brauchen, bis das Publikum sie beachtet, ließen einem die Petards keine Chance. Wenn sie ersteinmal loslegten, gab es kein Entkommen. Da ging es nicht um geniale Bassläufe oder tiefschürfende textliche Anregungen, da ging es um die Show. Gnadenlos. Reporter regionaler Blätter hatten oft Mühe, die richtigen Worte zu finden:

 

Main Post 22.1.70

Die lustigen Holzhackerbuam waren nichts dagegen. Nach einer Coke Pause trugen die 'modern sounds' für den Rest des Abends zur Bandscheibenschädenförderung der verbeateten und verrockten Faschingsfans bei....

 

Weiter Wolfgang Reinicke: "Arno sitzt an der Schießbude, links mit dem Baß steht Roger, in der Mitte Klaus, der Sologitarre spielt, und ganz rechts Horst, Rhythmusgitarre. Mit dem Anfangsstück kommt auch die riesige Lichtanlage ins Spiel. Das farbige, aufblitzende Spiel der gestaffelten bunten Scheinwerfer und der knallharte Rocksound vermischen sich zu einer Einheit. Nun kann man auch die Musiker deutlich erkennen. Arno hat ein schwarzes Hemd und eine schwarze Hose an; Roger ist mit einem zartgelben, blütenstaubfarbigen Hemd und roter Jerseyhose bekleidet; Klaus trägt wie Arno ein schwarzes, halb geöffnetes Hemd und einer goldengetönte Hose; Horst trägt eine unten sehr weit ausstehende, dunkle Hose, mit weißem Rüschenhemd und roter Strickweste. Allen stehen ihre wildledernen Stiefel ausgezeichnet.

Der Song tritt in die heiße Phase: Klaus wimmert, stöhnt und seufzt. Seine Stimme peitscht einmal hart, metallen, unerbittlich und streng über die tanzende, schwankende Menge, zum andern paßt er sich dem ruhigen Part des Stückes an. Hier klingt seine Stimme nachgiebig, einschmeichelnd, ja, fast zärtlich und sanft. Konzentriert spielt er auf seiner Gitarre, jeder Ton stimmt. Horst, der mit Roger die zweite Stimme singt, steht fast mephistophzelisch-grimmig hinter seinem Mikro: dunkeles Haar umrahmt sein Gesicht. Er schüttelt seine Gitarre, reckt die Arme, spreizt die Hände so hin und her, als wolle er etwas nicht greifbares an sich heranziehen. Roger tritt jeweils drei Schritte vor und zurück, spielt ruhig, fast ein bißchen abgeklärt sein Instrument, lächelt und bewegt seinen Körper in leicht wippendem Rhythmus, der ein bißchen tigerhaft, jedoch auch beruhigend wirkt. Er bildet dadurch einen sehr guten Kontrast zu seinen Freunden, die ihre Show wild interpretieren. Arno schließlich bearbeitet seine Schlaganlage geradezu furienaft. Seine Arme wirbeln, sein Körper zuckt im Takt und die Füße treten voll Stoff auf die Pedalen. Arno baut geradezu eine akkustische Welt um sich herum auf, er steigert sich in das Stück hinein, geht gänzlich drin auf und scheint auf dem besten Weg, sich in den Rhythmus zu transformieren, das Absolute zu erreichen. Er läßt solch ein Feuerwerk los, daß es klingt, als habe er vier Arme. Die Bestätigung, daß er der beste Schlagzeuger in Deutschland ist.

Den vieren fließt der Schweiß in dicken Tropfen von der Stirn. Sie geben für ihr Publikum ihr letztes."

In der Presse las sich das dann so:

 

Schwäbische Neue Presse 7.4.71

ALLAHS SOUND

Sie kommen aus einem kleinen Dorf und spielen schon in ganz Europa: THE PETARDS, progressive Super-Beater aus Hessen.

Mit ihren Melodien aus ihrer 800-Watt-Anlage rissen sie die Fans erstmal von den Sitzen. Und selbst ein Tauber mußte zugeben, daß man sie nicht nur sieht, sondern auch hört. Doch mit ihrer Musik bewiesen sie einmal mehr, daß sie nicht nur aus allen Rohren, sondern auch genau schießen können. Mit gekonnten Griffen entlockten die Big Four ihren Instrumenten Töne aus Allahs Reich. Horst, Roger, Arno und Bernd schnalzten, quietschten, ächzten, röhrten und hämmerten ihren paradiesischen Sound.

Besonders Drummer Arno versetzte die Zuhörer in tripähnliche Träume. Der Beifall kannte keine Grenzen mehr, als der Solist schweißüberströmt auf seiner Pauke zusammenbrach. Die Augsburger Pop-Pilgerinnen wurden von den stöhnenden Propheten immer wieder in ekstaseähnliche Zustände versetzt...

Ein Teil der Zuhörer steht ganz vorn an der Bühne und sie schauen fasziniert und gebannt und atemlos den Petards zu. Manche mit leicht geöffnetem Mund und glänzenden Augen, die anderen etwas vorgebeugt, als hätten sie Angst, einen Ton zu verpassen...."

  

Das das Publikum letztendlich nicht in Ekstase geriet, erklärte Klaus Ebert 1969 so: "Die Jugend interessiert sich nicht mehr so sehr für die Musiker, die Musik ist das Entscheidende." Der Gedanke, daß auch Musik Ekstase herbeiführen kann, war Pop-Egozentrikern schon immer suspekt. Aber dazu fehlte der Petardsmusik schlicht die Tiefe. Sie lieferten begeisternde Shows ab, keine bewußtseinserweiternden Jam Sessions. Sie wußten, was sie konnten, blieben bei ihren Leisten - und das machten sie hervorragend.

 

Ließ der Anteil an Coverversionen von Hits anderer Gruppen auch im Laufe der Zeit nach, bis sie ihre Bühnensets fast ausschließlich mit eigenem Material spielten, so hatten sie doch immer wieder Killerfassungen von Stücken anderer Gruppen im Repertoire. Nicht nur, daß sie diese Hits perfekt spielten, als seien es eigene Stücke,  sie hätten mit ihren Versionen auch viele dert heutigen Cover-Bands die Schgamröte ins Gesicht treiben lassen.

Auch in der Auswahl erwiesen sie einen guten Geschmack und wählten zum großen Teil Stücke aus, die auch noch heute gut im Ohr liegen. Hier eine Aufzählung des Konzertes 'Live im Petards Club Schrecksbach' 1967:

1. Papa's got a brand new bag

2. Friday on my mind

3. I'm a believer

4. Baby run, run, run

5. My little heart

6. A deeper blue

7. She didn't

8. Right time

9. Ruby Tuesday

10. Strawberry Fields forever

11. Mathew & son

12. Painter man

13. Hey Joe

14. Stone free

15. Inside looking out

Zu ihren späteren Live-Klassikern gehörten u.a. als Konzerteinstieg Led Zeppelins 'Whole lotta love', Otis Reddings My Girl, Creams N.S.U. (incl. Arnos Solo, das anfangs während 'Mona' ablief), ein Stück von Skip Bifferty, Wilson Pickets Land of the Thousand Dances & Mustang Sally, Nights in White Satin, mehrere Lieder von den Bee Gees, (Words, Massachusetts), Small Faces, Itchyko Park; Rolling Stones, Honky Tonk Women; Smoke, My friend Jack; etc..... Und, unvergessen: You keep me hanging on.

Erinnert sich Fan Gerhard Schmidt: "Anfangs wurden Coverversionen, z.B. I'm alive von den Hollies solange gespielt, bis es keinen Spaß mehr machte. Dann wurde der Titel letztmalig mit der Ansage "Wir begraben ihn heute abend" dargeboten ..."

"Ganz im Anfang haben wir die Hitparade rauf und runter gespielt. Später wurden wir dann selektiver. Wir haben sehr viel von den Beatles gespielt. Da konnte man sehr viel lernen, sowohl vom Gesang her, als auch vom ganzen Harmonieaufbau, von den technischen Möglichkeiten. Später haben wir dann Hendrix gespielt und sehr viel eigenes. Fremdtitel haben wir nach Gehör eingespielt. Ich habe mir die Titel angehört und die einzelnen Stimmen habe ich dann den Jungs beigebracht."

Ihre Coverversionen konnten sich häufig wirklich mit den Live-Möglichkeiten der Originalgruppen messen. Der Chronist erinnert sich, den ersten Auftritt der BeeGees in England erlebt zu haben, und an seine Verblüffung, daß diese nicht in der Lage waren, ihren ersten (& aktuellen) Hit, New York Mining Disaster, live vorzutragen. Die Petards konnten das sehr wohl. Aber Hallo!

 

Spielte man 1965/66 noch in vier Ortschaften mit weniger als 200 Einwohnern, und nur dreimal in Städten mit mehr als 100. Tsd. Einwohnern, so sorgte die Radiopräsenz bald für eine Umkehrung dieser Verhältnisse. 1969 war nur noch ein Winznest besucht, aber man gastierte schon 42 mal in Großstädten. Für den Statistiker hier die Auftrittshitparade nach Jahren:

1965/66  128 Auftritte

1967  194

1968  270

1969  223

1970  154

1971  115

1972    59

Total 1123

 

Das waren beileibe nicht nur Auftritte in hessischen Tanzkneipen, sondern es gab auch viele Gigs, deren Mischung sich im Nachhinein sehr merkwürdig ausmachen. Zitate aus Anfragen potentieller Veranstalter:

-  Ihr werdet es nicht für möglich halten, daß es noch Jugendliche gibt, die etwas für die progressiver Musik tun wollen und es auch tun. . Wir wollen im Sommer 1971 zwei Großveranstaltungen durchführen, um den Aufbau der Szene in Deutschland zu beschleunigen. Der Unkostenbeitrag sol bei 2 DM liegen ...

- Ich leite eine Beatgruppe in Freudenstadt. Wir gewannen vor 1/2 Jahr ein grosses Beatfestival und stecken nun in einer großen Finanzmisere. ... Die Rolle der Begleitgruppe würden wir übernehmen. Ich hoffe, daß es für uns finanziell der rettende Anker wird ...

- Der Volksfestausschuß Adelsheim beabsichtigt, in seinem Festzelt einen Tanzabend für die Jugend abzuhalten ...

-  Der Frauenchor Tiefenbach feiert sein 25-jähriges. Könnten Sie da ...

- Unsere Gemeinschaft, die sich als Ziel die Unterstützung der Mission gesteckt hat, ist gerade dfabei, einert leprastation in Madagaskar zu helfen. Könnten Sie für uns für eine geringere Gage spielen, um dafdurch einigen Aussätzigen in Port Bergé auf Madagaskar zu helfen?

 

Andere Einsatzorte dieser offensichtlichen Volks-Band:

- Anti Hasch Party in Lauterbach;

- Vorgruppe von Billy Mo in Hahnstätten;

- Jugendsparerball der würtembergische Sparkassen;

- Kasernenfest in der Herrenwaldkaserne;

- Jeanscenter 39 in Kassel, 'Hallo Boys und Girls!';

- Kameradschaftsabend der 15. Hundertschaft;

- Amnesty International;

- Für die Junge Union mit Dregger & Wallmann;

- Jugendstrafanstalten,

- Benefit für spastisch gelähmte Kinder ....

 

Das Love-In in Fuldas Fleckviehhalle

Einen ihrer wirkungsvollsten Gigs spielten die Petards im Oktober 1967 in der Fleckviehhalle zu Fulda. Die Presse fand folgende Überschriften für dieses Event der besonderen Art:

- Das, nach Hamburg und Frankfurt, dritte deutsche Love-In.

- Hippy Festival mit Schmalzstullen, Blumen und Psychadelic Sounds

- Hauch eine Happenings: Barockstadt Beatniks tobten sich in der Viehhalle aus.

So klärte die Oberhessische Volkszeitung ihre Leser vor der Veranstaltung wie folgt auf:

"Wo sonst nur Bullen brüllen, Kühe muhen, Schweine grunzen ... werden Psychadfelic Sounds und überlaute Beatmusik widerhallen. Im Scheinwerferlicht werden Blumenkinder nach einem Hauch 'Glückseligkeit' (ohne LSD, Haschisch oder Marihuana) streben. Ein Filmprojektor zeigt einen Farbstreifen über blühende Blumen und Frühlingserwachen, Dias, Schmetterlinge und Bienen. Räucherstäbchen geben einen Hauch von San Francisko, dem amerikanischen Hippy-Zentrum... Fuldas 'Love-In' wird sich am 'Trips-Festival' orientieren, einem in Amerika von Stadt zu Stadt ziehendem 'live-in' Happening, an dem ein Berliner Student, der zur Zeit in Fulda als Journalist arbeitet, mehrere Male teilgenommen hat. ... Mehr als 1000 Schmalzstullen stehen bereit, um auch die leiblichen Bedürfnisse der Hippies und Pseudo-Hippies zu befriedigen. Apropos 'Hippies': 'Sie sind bunt wie Ostereier, behangen mit Perlenschnüren, indischen Elefantenglocken und Blumen, bekleidet mit Dracula-Capes, Buddhistenrobben, australischen Goldgräberhüten und dem Kriegsschmuck der Komantschen' (so die Zeitschrift Twen). "Sie lieben, wann immer sie wollen, essen un dtrinken, was immer sie möglichst schnell auf die Reise in ihre Traumwelt bringt", der Spiegel. "Sie lächeln, weil die Welt so schön ist, verschenken Blumen und schrecken damit Eltern, Ärzte, Richter und Kriminalisten auf", so die BILD Zeitung.

Derart angelockt, fanden 1500 junge Menschen ihren Weg in die Fleckviehhalle, darunter der Reporter der Oberhessischen Zeitung: "Väter und Mütter schauten in den 'Hexenkessel', ob Tochter und Sohn noch brav sind, hielten sich die Ohren zu, denn der Krach war für normalgebaute Ohren kaum zu ertragen. Man wollte tanzen, dazu war man gekommen. Für den nötigen Radau sorgten die Bands. Nur gut, daß keine Kühe mehr in 'ihrer' Halle waren, sonst wäre ihnen vor lauter Psychedelic Sound die Milch in den Eutern geronnen. Aber Schwung in die Kuhhalle brachten vor allem die Petards, die von der angestrahlten Bühne herunterbrüllten ... Lange Zeit saßen drei uniformierte Polizeibeamte und Fuldas Kripochef Untucht im Büro der Halle. Sie sollten auf den Plan gerufen werden, wenn mit Rauschgift gehandelt würde oder Gotteslästerung laut werden sollte.... Um Mitternacht war die Halle leer. Die Barockstadt-Beatles gingen brav zu Bett. Am nächsten Morgen mußten sie schon früh am Schraubstock oder hinter Aktenblöcken aktiv sein. Sie gingen mit dem Bewußtsein: Es war ein Spaß wie jeder andere ...."

 

Rockin' in the CSSR

Zu den absoluten Höhepunkten der Bandkarriere gehörte zweifelsohne 1968, kurz nach dem Prager Frühling, das Free Concert in Pilsen, mit mehreren tausend Leuten und einer Live Übertragung im tschechoslowakischem Rundfunk. "Die beste Band aus dem Westen". Im Jahr drauf kam es zu einer 2. CSSR Tour.

 

 

 

 8. Herzberg Fest

Ende der 60er Jahre schwappte die RockfestivalWelle auch nach Deutschland. Vor allem englische Bands waren beglückt über die mobilen Arbeitsplätze auf dem Kontinent. Während sich die Medien an den Menschenmassen von Woodstock und der Isle of Wight aufgeilten, ohne auch nur im Ansatz zu verstehen, welch profunde Erlebnisse diese Festivals für die meisten jungen Menschen darstellten, zogen, wenn auch in kleinerem, überschaubarem Rahmen, die Petard ihre auf.

Hatten sie jährlich daheim in Schrecksbach (bzw. wg. Regen in Nieder-Aula) ein Wald-Beat-Fest für Freunde und Fans veranstaltet, so zogen sie diese Veranstaltung in den folgenden Jahren größer auf. Platz des Geschehens: der wunderschöne, grasbewachsene Innenhof der naheliegenden Burg Herzberg.

 

"Es tut sich was im hessischen Wald! ... Im Unterschied zum Waldeck Festival mehr Instrumente als Argumente.

Ausländische Gruppen fehlen, mit voller Absicht. Denn dieses Festival soll eine Aufwertung der inländischen Gruppen nach dem Grundsatz "Gleichheit für alle" bewirken. Wahrlich keine schlechte Idee, unsere eigenen PopMusiker einmal nicht nur als 'Stimmungsanheizer' für etablierte Supergruppen zu mißbrauchen. Beim Herzberg Festival wird sich zeigen, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist.

"Unsere Ambitionen sind nicht nationaler Art. Englische und amerikanische Gruppen sollen ruhig weiter in Deutschland auftreten, aber die deutschen Gruppen sollen nicht von vornherein weniger - fast garnichts - wert sein.

Wahrscheinlich wird das Festival in der Flut der englischen Festivals auf deutschem Boden untergehen. Wir machen es nur, weil es sonst niemand machen würde. Warscheinlich ist sowas einfach an der Zeit."  So berichtete das Spandauer Volksblatt 1970.

 

Über ihre Motivation, ihre Energie für solch ein Festival ein zusetzen formulierte die Band selber so: "Wir wollten es machen. weil es sonst niemand wollte. Zu unseren Absichten: Das Geldmachen kommt erst an zweiter oder dritter Stelle. Wir sind leider auch noch keine Millionäre, wie allgemein angenommen wird; um ehrlich zu sein: wir haben sogar Schulden. Man müßte doch das Publikum und vielleicht sogar die Presse, Rundfunk und Fernsehen, auf die deutschen Gruppen aufmerksam machen können! Es gibt nicht nur Roy Black, Heintje, Freddy und Nice, Stones, Led zeppelin. Wenn das nicht klappt, dann haben wir zumindest die Möglichkeit, uns untereinander kennenzulernen. Das ist auch schon was! (Wir kennen fast überhaupt keine anderen deutschen Gruppen).

... Es wird an allen drei Tagen Eintritt erhoben. Von der Idee eines Free Concerts wurden wir durch die Behörden abgebracht, die ein zweites Woodstock befürchteten...". Immer diese amtlichen Paranoiker.

 

Vom 1.-3. Mai 1970 waren auf der Burg Herzberg schließlich mit dabei:

Guru Guru Groove, Gila Fuck, Akfal Elektro, Amon Düül II, Xhol Caravan, Jeronimo, Tangerine Dream, Limbus 3, Can, Kon Sameti, Frumpy und andere.

Der erste Tag war verregnet, so wurde das Konzert kurzfristig in die abbruchreife Alsfelder Festhalle verlegt. Siehe den seperaten Beitrag über dieses Festival. Wg. Regen machten die veranstaltenden Petards ca 7000 DM Miese. Die Gagen der rund 20 Gruppen lagen zwischen 320 und 1250 DM.

"Nur wenige Gruppen verstanden es, aus Konsumenten Zuhörer zu machen. Zaghafte Bewegungen kam auch beim Auftritt der Petards in die Reihe," berichtete die kritische Presse. In der Tat war es ein Balanceakt, poppige und undergroundige Gruppen & Fans zusammenzugühren. Glücklicherweise war das ganze Ambiente der Herzberg so aufstellend, daß fast alle Besucher des Festivals eine gute Zeit hatten. Viele sogar eine saugute Zeit. Selbst die Polizei, die argwöhnisch, aber verblüffenderweise erfolglos nach 'verdächtigen' Zigaretten Ausschau hielt, war zufrieden.

Gerd Kraus, Limbus: Unsere Musik setzt Ruhe und Aufnahmebereitschaft voraus..." Deren Musik stieß auf Unverständnis. Nine Days Wonder mit ihrer Psychedelic Musik dagegen wußten zu gefallen.

Frau Ebert schmierte Schmalzbrote, anfangs fer umme, später für ein paar Groschen. Milch und Kakao wurden für 50 Pfg  verkauft und waren von der Band organisiert.

 

Das 2. Festival auf der Burg Herzberg fand am 3. und 4. Juli 1971 statt. Das Wetter spielte mit und die Petards verdienten zufriedenstellend, nicht zuletzt, weil der Hessische Kultusminister das Festival als "künstlerisch hochstehend im Sinne des Hessischen Gesetzes über die Vergnügungssteuer" eingestuft hatte.

Dieses Jahr mit dabei: Die Petards mit Bernd, Xhol, Ihre Kinder, Can, Wind, Popol Vuh, Embryo, Achim Reichel, Guru Guru, Franz K u.a.m. Die Gagen betrugen diesesmal 150 DM bis 1300 DM.

 

Diese Festivals wären dür die Petards eigentlich die beste Gelegenheit gewesen, sich mit anderen Gruppen kurzzuschließen, sich auszutauschen, ihre kulturelle Blasensituation aufzubrechen. Doch leider kam es dazu kaum. Horst war als Hauptorganisator zu beschäftigt, nur Bernd suchte den Kontakt zu anderen Musikern.

 

Für die Besucher war es eines der ersten, schönen, relativ freien Festivals, typisch für einige davor und viele danach. "Man kommt an, parkt den Wagen, geht zum nächsten Lagerfeuer, sagt Hallo! und jemand reicht einem einen Joint. Man erzählt, wo man herkommt, was geschehen wird, ob Dylan da sein wird, spekuliert, wieviele Leute es wohl insgesamt sind. Hast Du so und sos neue Platte gehört? Nur ein paar Worte, die man wechselt, bis man das Gefühl bekommt, denjenigen zu kennen. Es ist toll das Gefühl zu haben, jeder hier sei dein Freund. Von Mensch zu Mensch, Lagerfeuer zu Lagerfeuer, wird der Energiesamen weiter gereicht. Kontakt-Highs füttern Marihuana Highs, bis die Luft zu summen beginnt und man bereits weiss, daß man nie wieder von hier weg will.", so schrieb Paul Williams stellvertretend für alle anderen Festivals in seinem Buch 'Dieses großartige Rock and Roll Gefühl' (MedienXperimente, Löhrbach, 1997) über Woodstock. So hätte (mit Ausnahme der Dylan-Nennung) auch jeder zweite Fan von der Burg HerBerg berichten können.

 

Die Besucher des Festivals waren ein wahraft buntes Völkchen, viele kamen von weither. Eine Umfrage Florian Tennstedts ergab, daß sich gut ein Viertel der herzberg'schen Besucher als aktiverKiffer outeten. Hoffte einer: "Ich möchte nur heil heimkommen, mein Fahrer ist auf Dauertrip!" Die offensichtliche Absenz der Polizei sorgte für einen offenen, paranoiafreien Raum. Für ein Drittel der Besucher spielte auch das sexuelle Moment eine herausragende Rolle, das natürlich durch die wirklich romantische Umgebung noch gesteigert wurde. Viele erlebten hier ihre erste Nacht im Freien, den ersten Sonnenaufgang nach einer durchmachten Nacht. Und das im wunderschönen Knüll Gebirge.

War die Musik streckenweise auch unerträglich, hm, experimentell, so konnte sich das Gesamtkunstwerk sehen lassen. Ein Besucher empfand als das Positive an dem Fest "das Gefühl der Geborgenheit und Freundschaft, das mich dort umfing. Überall nur freundliche und hilfsbereite Typen. Typen, die mich akzeptierten und mit denen man über alles reden konnte. Das Gefühl, dort dabei gewesen zu sein, möchte ich nicht missen."

 

PresseInfo:

No Herzberg Festival 1972

In diesem Jahr wird es kein Herzbergfestival, kein 3. Deutsches Rock Fest geben. Die Petards, die in den beiden Vorjahren unter diesem Namen das 'preisgünstigste', 'best-organisierte', 'originellste', 'stimmungsvollste', 'schönste' Festival des Jahres veranstaltet hatten (so die Presse), scheuen in diesem Jahr Arbeit und Risiko. Sie sind der Meinung, daß die maximale finanzielle Gewinnmöglichkeit von DM 5000,00 bei einem finanziellen Risiko von DM 25.000,00 und intensiver dreimonatiger Vorarbeit nicht angemessen ist. Außerdem ist das erstrebte Ziel dieser Veranstaltungen bereits erreicht: Man kennt in Deutschland inzwischen die deutschen Gruppen!".

Die RockKultur blühte auf, nur die Petards selber befanden sich auf dem absteigenden Ast.

 

Ein neuer Frühling.

Mein Herzberg Trip.

   1970/1 fanden zwei Herzberg-Festivals, korrekt: Festival der progressiven deutschen  Popgruppen 'Electric Rock' statt. Veranstaltet von der damals angesagten Beat-Pop-Band The Petards, spielte sich das Festival innerhalb, nicht wie heute außerhalb, der Burgmauern ab. Die Petards waren eine grandiose Pop-Band der pre-psychedelischen Zeit, mit vielen hardcore Fans und einigen eigenen Hits. Die Festivals wurden zu epochalen Veranstaltungen, trafen hier doch deutscher Mainstream Pop und Underground erstmals aufeinander. Die Petards besaßen damals schon dicke Marshall-Türme & zeigten eine satte Lightshow. Mit dabei: die legendären Xhol, Embryo, Guru Guru, Amon Düül, Akfal Electric, Can etc.. Ha, 'KrautRock' war damals noch ein Schimpfwort!

   Für mich waren die Herzberg Festivals ein Aufeinandertreffen  zweier Welten: drei Jahre zuvor hatte ich in jener Gegend eine Lehre hinter mich gebracht, im naheliegenden Alsfeld eine Aktion Jugendzentrum initiiert & war dort bekannt wie ein bunter Hund. Das einzige, was Ende der 60er in jener Region passierte, waren die Petards-Konzerte. Diesmal hatte ich jedoch meine neuen Hippiefreunde dabei, schließlich war ich ein gutes halbes Jahr vorher Dealer geworden. A clash of two worlds. "Hanfdampf wehte leicht durch die Zinnen, in den Winkelns der Wehrgänge gab's 'Stoff' in Minimengen...", berichtete Reginald Rudorf.

   Das erste Festival begann mit Regen und wurde in die klapprige Alsfelder Festhalle verlegt. Nachts pißte es in Strömen. Wo pennen? Kein Auto, kein Zelt. Was tun? "Hey, ich kenne da diese Friedhofskapelle in Alsfeld auf dem Hügel, außerhalb der Stadt, die ist immer offen." In der Tat hatte ich dort schon wiederholt übernachtet. Also: nix wie hin. Wir waren über ein Dutzend Jungs & Mädels, zündeten die edelen dicken Kerzen an, setzten uns im Kreis & kifften uns stilvoll die Hucke voll. Wir beschädigten nichts in der Kirche und hielten unsere blasphemischen Anfälle in Grenzen. Zum Schlafen verteilten wir uns; meine Freundin Uta & ich oben auf der Empore. Das Wort zur Nacht war: Wer morgens als erster aufwacht, steckt allen anderen einen Trip in den Mund. Geplant, getan!

   Was für ein quirliger Morgen! Sonnenschein strahlte durch bunte Kirchenfenster auf uns betrippte Meute. Der erste richtige Frühlingstag des Jahres. Das Kifffrühstück fand dann draußen auf dem Friedhof statt. Plötzlich jedoch wurde alles anders. Hinter der Kapelle quoll es grün hervor. Bis heute weiß ich nicht, ob es zwei Polizisten waren oder eine ganze Hundertschaft. An was ich mich erinnere ist der Sprung die Friedhofsmauer runter und der Spurt der Hascher aus dem Einzugsbereich der potentiellen Hascher-Häscher. Neben mir lief so ein kleiner Dealer aus Frankfurt, paranoid bis zur Hutschnur rief er beim Rennen: "Wirf dein Dope weg!" Ich dachte nichtmals im Traum daran. Zum einen war es mein ganzes Kapital, zum andern wirft man Dope nicht vor der Polizei weg, schließlich fühlt man sich ja unschuldig.

   Wir rannten so sternenförmig fort, daß es einen ganzen Tag dauerte, bis wir uns alle im Innenhof der Burg Herzberg beim Festival wiedertrafen. High life! Nur einer war, voll stoned & betrippt, von der Polizei erwischt und temporär festgehalten worden, der Stuttgarter Pit. Er wurde gefragt: "Wissen Sie eigentlich, was Sie hier tun?" Diese Frage hat ihn noch Jahre beschäftigt ...

 

   Beim zweiten Festival war mein Freund Eugen dabei. Ich fragte ihn nach seinen Erinnerungen daran. "Petards? Ein gutes Thema. Wenn es nicht nur um die Band geht, sondern um die Zeit, jene Szene und den damaligen Geist, der da beschrieben werden könnte. Wobei die Petards für mich alles andere als psycedelisch waren.

   Ich kann mich erinnern, daß wir einen Tag vor Herzberg Bernd Wippich kennenlernten und bei ihm übernachteten? Es war ein langer, wunderbarer, heißer Tag. Achim Reichel von den Rattles hat auch gespielt, war aus Hamburg in einem alten Benz gekommen. Wind aus Erlangen war für mich der Top-Act. Irgendwann stehen die Petards auf der Bühne und wir sitzen zu Hunderten zugedröhnt in dichten Reihen und nachdem Arno sein 30-min Trommelsolo durchgezogen hat, spielt Bernd, der neue Gitarrist, SEIN LIED. Und er widmet es seinem neuen Freund Werner P., der ihn so angeturnt hat in der Nacht zuvor. Wir sitzen zusammen und Goki, Bernds wunderschöne Freundin sitzt bei uns, und ich bin so, hmmm - stolz ist nicht dasrichtige Wort. Vielleicht eher glücklich, zur richtigen Zeit mit den richtigen Leuten am richtigen Ort zu sein und dies bewußt erleben zu dürfen.

   Wir trafen Berd Wippich irgendwo in einer WG in Darmstadt, wo wir die Nacht alle zusammen Spaghetti kochten, die mit Zucker überstreut wurden, weil sonst nichts da war und wir alle Shit-Hunger hatten. Dies  aus unserem Goldenen Buch der Erinnerungen.

 

   Und jetzt kommen da so ein paar Seppl und erdreisten sich (1997!) unter dem Namen Movement of the Hippies" , ein Festival weit vor den Toren der Burg zu veranstalten und sahnen ab. Mit der absoluten Hippie-Band The Temptations, und Ritchie Havens, der seit Woodstock 'Freedom' singen muß, als Headliner. (In den USA tourt zur selben Zeit eine andere Gruppe mit dem Namen 'Temptations'...). Waren Hippie-Festivals nicht immer Free-Festivals? Umsonst & draußen und so? War das nicht die Zeit, in der man Festvals lebte und nicht in konsumentengerechte Camps gesperrt wurde? Ging es auf den legendären Herzberg Festivals nicht vorrangig darum, daß sich die deutschen Bands unterschiedlicher Scenes untereinander besser kennenlernen? Wäre es nicht wundervoll gewesen, traditionelle Psychedelik Bands mit der neuen Techno/Ambient/Psychedelic Szene zusammenzuführen? Old krauts meet new sounds. Ganz im Geiste des HerzBerges? Nix da: Vom Herz-Berg zum Geld-Hügel. What a temptation."

aus: Hanf!-Journal, 8/97

 

 

 

  9. Medien

 

Im Jahr 1967 und 1968 hatten die Petards jeweils vier TV- und rund ein Dutzend Radioauftritte. Aber leider keinen im legendären Beat Club, dort wurden englische Gruppen favorisiert. Dafür aber z.B. in der 1000. Sendung der beliebten Sendung des Hessischen Rundfunks, Teens - Twens - TopTime, T4.

Wichtig war ihr Auftritt im Talentschuppen des SWF-TVs im Juni '67, bei dem sie vor allem alle Anwesenden im Studio durch ihren Auftritt absolut überzeugten. Im Publikum dabei war Produzent Bert Varell, der sie zu den Aufnahmen ihrer ersten LP, A Deeper Blue, einlud.

Am 17.12. 67 kam es zu einer ersten Vorstellung eines Petards Titels in der Hitparade von Radio Luxemburg durch Camillo Felgen. In den Jahren danach landeten sie wiederholt Hits, die es bis zur Nr. 1 brachten. Dabei erhielten sie durchaus freundliche Unterstützung von den jeweiligen Rundfunk-Moderatoren: Manfred Sexauer bei Hallo Twen im Saarländischen Rundfunk Hans Verres bei der Frankfurter Schlagerbörsen, sowie Walter Krause bei der Hitparade des Südwestfunkes.

Anfang 1968 kam es dann zu einem Eklat bei Radio Luxemburg, den der Chronist 'live' mit der Band erlebte. Es war ein Sonntag Nachmittag, The Petards spielten in Alsfeld. Vor dem Auftritt hörte man die Hitparade aus Luxemburg laut über die Bandanlage. Es war klar, daß "Shoot me up to the moon" drin sein würden, aber auf welchem Platz? Die freudige Stimmung wurde immer erregter, je kleiner die Ziffern wurden: 4., 3., 2. - Jubel, denn nun mußten sie Nr 1 sein. Doch: Pustekuchen. Der DJ vom Dienst, Frank Elsner, verkündete, daß die Petards zwar genügend Stimmen für die Nr 1 erhalten hätten, aber man habe sie disqualifiziert. Alle Fans im Raum Oberhessen fühlten sich verarscht, aber im anschließenden Konzert zeigten sie uns wieder, wer die Besten waren.

   Im Mai '70 kam es dann zu dem legendären Auftritt in Pariser Olympia, der fürs französische Fernsehen aufgezeichnet wurde. In jener Zeit hatten sie mit 'Blues Fire Light' einen Hit in Frankreich und Belgien. So großartig 'Olympia' auch klingen mag, muß doch folgendes festgehalten werden: Sie lieferten dort kein großes Konzert ab, sondern spielten in einem kleinen Nebenraum für die Kameras.

   Heimspiel hatten sie bei der Frankfurter Schlagerbörse. Diese Sendung wurde zu ihrer (& der Petards) Glanzzeit von 2 Millionen Hörern verfolgt, die Hitparade erhielt bis zu 85 Tsd. Zuschriften. Von den Fans aktivierter kultureller Lokalpatriotismus.

   Ein mir unbekannter Statistiker hat alle Radioausstrahlungen von Petards Titeln minutiöse festgehalten (In Klammern, wie häufig etwa eine Single gespielt wurde):

1967:   4 Std. 18 min. (105)

1968: 12 Std. 32 min. (300)

1969: 18 Std. 40 min. (450)

1970: 33 Std. 20 min. (800)

1971: 17 Std. 47 min. (425)

 

Und noch ein paar Zahlen über Sendezeiten im Rundfunk, respektive Verkaufszahlen der Singles:

Shoot me up to the moon, 457 min Sendezeit, 8447 Exemplare verkauft.

Golden Glass, 692 min., 13017 Ex.

Pretty Liza, 745 min., 11257 Ex.

Misty Island, 652 min., 12474 Ex.

 

Thomas Gottschalk (damals noch DJ und Radiostimme) sang gerne 'Pretty Liza', aber das machte den Hasen auch nicht fett. Für das Hessische Fernsehen wurde ein Film über das Leben der Petards in Schrecksbach gedreht, aber die großen Auftritte in den großen Sendungen blieben aus. Sie bekamen keine Chance, irgendeine Filmmusik zu schreiben (so wurde ja z.B. der Gruppe Can der Durchbruch möglich) oder in einer Samstagabend Show aufzutreten. MTV gab es noch nicht, denn dort hätten sie mit ihrer Fantasie und ihren Fähigkeiten sicherlich für gute Bilder gesorgt. Das Medienecho war also im Großen & Ganzen gesehen mau. Da halfen auch nicht so freundliche Medienerwähnungen wie der folgende 'Offene Brief' an die 'kreativste Pop-Gruppe Deutschlands' u.a.m.:

 

"Liebe Petards!

...  Musikalisch-technisch gesehen aber, seid ihr nicht die Grössten. Ihr könnt da mit keinem amerikanischen oder englischen Spitzenorchester konkurrieren. Aber keinen Groll darüber, bitte! Eure deutschen Konkurrenten (die Lords, Glooys, Rattles, Wonderland) stehen noch viel schlimmer da. Ihr, die Petards, habt es wenigstens gewagt, Euch kreativ zu betätigen. Ihr habt den Mut aufgebracht, den bösen, langweiligen Platten-Produzenten, die immer nur wollen, daß ihr alte wohlbekannte Kamellen auf die Platte bannt, das Gebiß zu zeigen. Ihr habt in Kauf genommen, daß Eure LP möglicherweise kein Hit wird. Eigenständige und gute Musik findet bekanntlich nicht so großen Absatz wie solche, die weniger große Ansprüche an die Hörer stellt. Für diese Einstellug seid ihr zu loben und zu preisen. Ihr seid die kreativste Popgruppe Germaniens. Das will zwar im Augenblick noch nicht viel bedeuten. Vielleicht aber sorgt Ihr einmal dafür, daß es etwas heißt. Indem Ihr den Anschluß an die Popniks Amerikas und Englands herstellt. Auf dem Weg dazu seid Ihr ja. 

Bernie Sigg, POP Redaktion

über die LP The Petards"

 

Musik Poll 17.1.70 Aachener  Nachrichten

Beliebteste Dt. Gruppe 1. Lords 55%, 2. Petards 14%, 3. Wonderland 13%, 4. Die Anderen 10%.

 

"bei den petards gibt es keine b. Seite

Sie töten - Langeweile

Sie rauben - anderen die Ruhe

Sie stehlen - der Konkurrenz die Show

Sie verschleppen - Vierviertel-Takte und erscheinen deshalb (hit-)verdächtig, obwohl ihre Musik nicht von schlechten Eltern stammt. Noch stehen sie in keinem Fandungsbuch, dafür aber bei den Fans hoch im Kurs.

Ihr musikalisches Image lässt zwischen Phonstärke und Fanclubs noch genügend Raum für Sound und Sentiment. Dabei demonstrieren sie ihre künstlerische Wertigkeit auf der Bühne manchmal in akustischen Werten, die nur grob gerasterte 'Phonabnehmer' noch schmerzlos verkraften. Im Gegensatz dazu zeugen ihre Schallplattenaufnahmen von einem Ideenreictum und einer progressiven Auffassung.

Die Band ist stilistisch nicht festgelegt. Festgelegt ist nur die Marschroute für den Weg durch die verschiedenen musikalischen Gebiete. Mit Fuzz und Feedback, mit Trebleboosters, Verstärkern, Speakern und anderem elektronischem Gedöns werden Fussangeln wie Kompromissbereitschaft, Karrieresucht und Kopiermanie achtlos beiseite geschafft." 

 

 

 

  10. Tut Was Ihr Wollt - Die PETARDS im Theater

Im Jahr 1970 wurden die Petards vom Bremer Theater engagiert. Sie spielten, nicht nur musikalisch, im Off-Broadway Musical 'Tut, was ihr wollt', einer ver-beat-eten Fassung von Shakespeare. Es zog Jugendliche ins Theater und bot Erwachsenen einen Einblick in die neue Beatkultur. Der Weser Kurier formulierte das so: "Mutti und Vati und mit ihnen der 'gesamte menschliche Schrott nach Dreißig' (wie die Hippies zu sagen pflegten) brauchen sich nicht mehr in einem Beatschuppen zu schleichen.Ohne sich der Gefahr der Lächerlichkeit oder Verspottung preiszugeben, können sie jetzt im Theater einen Blick in die Welt ihrer Sprößlinge, der 'Now-Generation' werfen. "Ach, so ist das also", werden viele sagen, "so nett, so lustig, so unterhaltsam haben wir uns das Treiben der Jugend nicht vorgestellt." Anderen Voyeuren freilich wird dieses Treiben, diese prahlerisch zur Schau gestellte Jugendlichkeit, schon zu laut, zu substanzlos und wegen der paar Enthüllungen 'splitterfasernackter Tatsachen' zu 'schweinisch' erscheinen. Kamen die Buhrufe zum Schluß der Premiere von ihnen oder von Jugendlichen selbst, die mit einer solch naiven und verniedlicheren Art der Darlegung ihrer Probleme, ihrer Protesthaltung gegen das steifbürgerliche  Establishment und ihres progressiven Zorns nicht einverstanden sein wollten?

   Dieses Musical hinkt der Gegenwart doch stark nach und schockt deshalb kaum jemanden - von ein paar ihrem Vorweltskriegs-Jugendideal Nachtrauernden und ein paar Sauberhaltungsaposteln abgesehen. Hier regieren noch die pflaumigen Wuschelköpfe, denen doch die 'Skinheads', die militanten Hautköpfe, längst den Kampf mit eisenbeschlagenen Stiefelspitzen angesagt haben. Hier riecht man noch nichts vom süßen Duft des alle Probleme verdrängenden Hasch. Hier sieht man nichts von der Wirkung der Drogen, mit denen man die große Angst vor der absoluten Leere betäuben kann. Hier spürt man nichts von der archaischen Zerstörungswut des Underground, von tückischer Unterwanderung und von gesellschaftlicher Aufruhr. Hier ist die Welt noch oder wieder in Ordnung." 

   Das Stück als solches fiel ziemlich durch, der Part der Petards jedoch bekam sehr gute Kritiken. "Sie haben Drive, sie haben Pep. Sie flutschen nur so aus den Lautsprechern und drängen sich in die Ohren hinein.", berichtete Die Welt. Und eine andere Zeitung urteilte: "Die Petards amalgamieren zwar unverkennbar mancherlei Vorbilder, doch verarbeiten sie diese zu einem eigenen, girrenden, drängenden, rockenden Sound. Zudem agieren die Mitglieder der Gruppe mit einer ungekünstelten Natürlickeit und mit einem Geschick, das die Nachsicht gegenüber Laien überflüssig macht".  

   Während in Bremen die Musik vom Tape kam und nur der Gesang live dargeboten wurde, spielten die Petards bei den Aufführungen in Darmstadt (in der auch die Faßbinder Schauspielerin Barbara Sukowa mitwirkte) live. Und nach dem Musical durften sie für ihre Fans noch jeweils 30 min eigener Stücke als quasi Bonus-Zugabe spielen. Da war der Weser Kurier doch platt: "Unterhaltung bei der Beat-Generation. Wer hätte das gedacht?"

 

Leider sind keine Aufnahmen jenes Stückes überliefert.

 

 

 

  11. Vater Ebert resümiert

 

Die beiden Ebert Brüder hielten engen Kontakt zu ihren Eltern in Schrecksbach. Dem Vater kamen die Beataktivitäten seiner Jungs entgegen, denn so konnten beide ihr eigenes Studium finanzieren. Er hatte aber auch durchaus ein Ohr und Verständnis für die neue Musik. Neue Produktionen wurden ihm zuerst vorgestellt. Er erreichte den Status des 'bibo', einer Petardskürzel für 'Big Boss'.

Einige Tage nach einem Petardskonzert im Staatstheater Kassel 1970, schrieb er ein Essay, der ursprünglich nur als 'Gedankenaustausch' mit einem befreundeten Kollegen gedacht war. 1975 schrieb er den Text, der nun gleichermaßen über die Beatmusik, wie über die Gedanken des Vaters von Klaus und Horst und damit über ihn selbst, nocheinmal neu.

 

Faksimile nur  im Bear Family Box Buch

 

 

 

12. Zündphasen der Knallfrösche

 

14.8. 1965 Erster Auftritt als Petards in den Semesterferien. Noch als Amateure und Studenten.

 

1966 Offizielle Gründung der Band. Erste Eigenkompositionen. Zwei Singles: Pretty Miss/Baby run, run, run und Right Time/She didn't in Eigenproduktion aufgenommen.

 

1967 Berufsmusiker, Arno wird am 16. Juni Schlagzeuger der Gruppe. Shoot me up to the moon/Lazy Moon  in div. Hitparaden. Erste LP: A Deeper Blue, Auftritt in der TV 'Drehscheibe'.

Wald Beat Show in Schrecksbach, Vorläufer vom Herzberg Fest, mitten im Gemeindewald.

 

1968 Durchbruch mit Golden Glass/Tiger Rider und Pretty Liza und der  LP The Petards auf dem Liberty Label. Erfolgreiche CSSR-Tour im Oktober nach dem Prager Frühling. Das Konzert in Pilsen wird live im Rundfunk übertragen.

Auftritte im Österreichischen TV und 4-3-2-1 im ZDF.

 

1969 Misty Island in engl. Hitparade (bubbling under), Blue Fire Light in Frankreich und Belgien in den Top 10, Frankreich und eine 2. CSSR Tour.

 

1970 LP Hitshock, Singles My World, Baby Man, Don't you feel like me

Erstes Herzberg Festival.

 

1971 Ausscheiden von Klaus Ebert, Ersatz erst Bernd Wippich, dann Ray King.Good Donna Hit in Deutschland und Österreich, Doppel LP Pet Arts aufgenommen.

Zweites Herzberg Festival

 

1972  Am 4.März der 1000. Auftritt. Kein Herzberg Fest mehr, Bern Wippichs Return.

Am 3.9. der letzte Auftritt, im 'Western Saloon' in Wiesbaden

 

 

Danach traf man sich noch zweimal:

- Bei Familie Ebert in Schrecksbach

- 9.3.1984 Reunion-Treffen im Hessischen 3. TV Programm 'Hier Studio Kassel': "Sie haben in 15 Jahren keinen Speck angesetzt."

 Aber gespielt haben sie trotzdem nichts mehr.

 

1979 erschien das Buch Rockmusik und Gruppenprozesse, Aufstieg und Abstieg der Petards, von Florian Tennstedt, im Verlag W.Fink, München.

 

 

13. Where are they now?

 

   Hans Jürgen Schreiber

Wurde Arzt, soll in den 80er Jahren in einer Klinik in der Nähe von Heidelberg gearbeitet haben, wird heute im Oberhessischen vermutet..

 

  Klaus Ebert

- ab 1.4.71 Elektra Label Manager

- Aufbau Kinney, WEA Europa, Polygram, EastWest

- Maffay, Tenöre, Willy de Ville, Milva, Udo Lindenberg, Extrabreit.

- Mitte 1997 alle beruflichen und privaten Zelte abgebrochen (Job & Ehe gekündigt) & mit neuer Liebe nach Rumänien und hat dort eine Eegentumswohnung erstanden.

 

  Horst Ebert

Lebt mit 2. Frau und mehreren Kindern in Kassel. Studierte Matemathik, arbeit als heute Computerfachmann in einem größeren EnergieUnternehmen. Betrieb nebenher dreizehn Jahre lang die Kneipen Knösel, Fledermaus und Paulaner Wies'n in Kassel.

Macht keine Musik mehr.

 

  Roger Waldmann

1972-75 Produzent bei CBS (Lauter Selbstdarsteller), Ivan Rebrov, Njemen, Milva etc.

Verließ das Plattenegeschäft nach kurzer Zeit, als sein direkter Vorgesetzter früh starb. Wurde von einem Tag auf den anderen Steuerberater. Praxis mit 20 Angestellten.

Macht keine Musik mehr.

 

  Arno Dittrich

Blieb als einziger der Ur-Band Berufsmusiker, inzwischen seit 35 Jahren. Spielt noch heute bei verschiedenen Gruppen. Lebt wie Horst in Kassel. Wird in der örtlichen Presse nach wie vor als 'Schlagzeuger der Petards' tituliert.Trommelt immernoch sein Solo.

 

  Bernd Wippich

Von Klaus Ebert für die Gruppe Randy Pie abgeworben. 72-76 4 LPs mit Randy Pie, seit 1973 (bis heute) mit Freya, aus dem Chor der Gruppe, verheiratet. Hat mit ihr auch zwei Duo-LPs aufgenommen. Heute Musikproduzent im eigenen Studio, sowie Komponist, Texter, Arrangeur, Musiker und Sänger in diversesten Projekten, u.a. seiner FunBand The Altsheimer Experience.

Wurde im Tennstädt Buch in Uwe umbenannt, man hatte Angst vor eventuellen Verläumdungsklagen. Bernd hat das Buch bis heute nicht gesehen.

 

   Ray King

Seine Spuren haben sich verloren. Soll 1976 als Arbeiter bei VW-Baunatal gesichtet worden sein. Lebt wahrscheinlich bei Melsungen.

 

 

AutorenBio

 

Als aktiver MusikKonsument verwuchsen meine Ohren schon Ende der 50er mit dem Radio & Plattenspieler. Ab 1965 im Einzugsgebiet der Petards wohnend, erlebte ich die Band sehr häufig live, allein in den Jahren 68-70 mindestens 23 mal, vorher noch öfters, später dann weniger.

Anfang der '70er veranstaltete ich Konzerte & schrieb für die legendären Roadie Fachzeitschrift Riebe's Fachblatt eine monatliche Kolumne, die erste Grüne Seite in der deutschen Presse.

In den 80er Jahren eigenes Cassetten Label:Transmitter; mit über 160 Produktionen. Heute ist Transmitter ein CD-Label. Hier erschienen u.a. mehrere von mir compilierte CDs, u.a. ‚The Sky is High & so am I‘, part I & II; Flashbacks – eine 6 CD Compilation, die später auf dem Trikont Label neu herausgegeben wurde und für die ich 2001 den Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik erhielt.

Außerdem gab ich mit Jean Trouillet das Buch WeltBeat heraus, schrieb mehrfach Liner Notes für CDs, verlegte das Buch KrautRockSampler von Julian Cope.

Unternahm in den vergangenen Jahren RockMusik-Pilger-Fahrten nach New Orleans, Macon, Georgia (wg. Little Richard & Otis Redding), Liverpool, Schrecksbach und WestAfrika. Neuestes Musikbuch (übersetzen, kommentieren, verlegen): Dieses großartige Rock and Roll Gefühl, von Paul Williams, dem Erfinder des ersten Rockmagazins, Crawdaddy.

 

Die Recherche für diese Petards-Liner Notes führten mich im Juni 1997 zu Roger Waldmann, Horst Ebert & in das Rasthaus Pfefferhöhe in Alsfeld. Florian Tennstädt überließ mir einen Stapel Recherche-Materialien für sein Petards-Buch aus dem Jahr 1979.

Besten Dank für die Unterstützung.

 

Während der Recherchen für diese Linernotes ist es mir gelungen, die letzten Exemplare des Buches 'Rockmusik und Gruppenprozesse - Aufstieg und Abstieg der Petards' von Florian Tennstedt aus dem Jahr 1979 (damals in 1000 Auflage gedruckt) aufzutreiben. DIeses lesenswerte, rund 200-seitige Buch, in dem ich viele wertvolle Anregungen und Zitate für meine vorliegende Aufarbeitung gefunden habe, kann man, solang der Vorrat reicht, gegen 10.00 Euro (als Scheck, inkl. Porto) bei folgender Anschrift bestellen. Dort (& im Internet) gibt es auch einen prallen Katalog anderer Bücher.

 

The Grüne Kraft - Alte Schmiede - D-69488 Löhrbach.

www. gruenekraft.net

 

 

 

Dank an:

Uwe Husslein, Frank Fuchs, Soni Müller, Roger Waldmann & Tochter Nora, Horst Ebert, Florian Tennstedt, Nadina Leganovic, Hartmut Höfele, Gerhard Schmid, Heiko Schwalm